Hilde Fuchs

Bildende Kunst
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Suche nach Existenz – Ergründung der Mitte

Hilde Fuchs schaut gerne auf das Darunter, auf die Grundlagen einer Sache, einer Existenz. Sie sucht den «Boden unter den Füßen» und den Blick auf das «schnell Übergangene» und unternimmt den Versuch, auf dem Gebiet ihres eigenen Kunstschaffens kein «Betreten Verboten» als gegeben zu nehmen – so ist es zu verstehen, dass sie sich eine Woche lang im Selbstexperiment täglich nur monochrom nach einer Farbe ernährt und sich dann zwei Stunden lang ein selbstgebautes Mikrofon auf den Bauch legt, um die Möglichkeit eines semantischen Bezugs zur Wortschöpfung «Farbton» zu erkunden – das «Betreten Verboten» vor der Stufe zur Pseudowissenschaft wird nicht als Hindernis sondern als Ausgangspunkt einer tatsächlichen Selbsterfahrung benutzt. Die Vermutung oder Recherche einer Tatsächlichkeit hinter den Dingen wird je nach Projekt verschieden und möglichst nach dem Kriterium einer weiteren «Forschungsreise» unternommen. Da wird zum Beispiel eine Umsetzung des «Sprachmaterials» von Werner Schwab im nicht-theatralen Kontext unternommen, weil Hilde Fuchs ein übergangenes «imaginäres Potential» darin sichtbar machen möchte. Ein Beschreiben des Jetzt-Zustandes einer Künstlerin, die sich in ihrer Ausdrucksform nie auf den visuellen Bereich beschränkt hat, sondern zeitgleich parallel immer im (experimental-)theatralen Raum weitere künstlerische Aspekte für sich zu finden suchte, ist ein erfreulicher Moment der Ahnung einer Ankunft nach einer langen Suche nach zufriedenstellender Vereinbarkeit der persönlichen Anforderung an beide Genren – den Betrachter auch zum Publikum, oder (unvermittelt) zum Akteur bzw. Darsteller in einer Installation bzw. Szenerie zu machen, ist daher ein weiteres bewusstes Prinzip der Arbeiten. Genannt sei hier das Projekt «Peep-Show» mit 60 freigekauften Batteriehühnern als Installation im Stadtraum von Kassel. Nach wie vor ist auch der Umgang mit Sprache und Ironie ein Erweiterungsfeld des konzeptionellen Ansatzes der Arbeiten – Textcollagen aus Plastiksackerlaufdrucken werden in einer Arbeitsserieso zum persönlichen Statement zur Konsum- und Wegwerfgesellschaft und dem tendenziellen Notstand künstlerischer Existenz- und Produktionsbedingungen. Ein sozialpolitisches Engagement ist ein immanent mitschwingender Faktor in ihrer Arbeit, der die verschiedenen «Ergründungsversuche» vornehmlich auch in den öffentlichen Raum führt und sich mit sozialen Strukturen und deren visueller Ebene befasst. Hilde Fuchs versucht, das Betätigungsfeld und den Erkundungsradius konzentrisch auszuweiten und zugleich ein Gefühl für die Mitte, das Innerste zu finden.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2003