Absage an referierende Gegenständlichkeit
Es wird wieder gezeichnet. Die Zeichnung, seit der Renaissance als wohl sensibelste Ausdrucksform künstlerischen Schaffens in Gebrauch, hat besonders in den letzten Jahrzehnten ein wechselhaftes Schicksal erfahren. Hatte sie in den sechziger und siebziger Jahren ihre Autonomie weitestgehend eingebüßt, so hat sie diese in den Achtzigern zur Gänze zurückerobert. Vor allem in der italienischen Transavantgarde und in Großbritannien haben sich Künstler zuerst wieder der Zeichnung als Mittel der Selbstreflexion zugewandt. Infragestellen der Bezugspunkte in der Dingwelt; Selbstironie und eine akzentuierte Subjektivität, die sich der Zufälligkeiten ihres Wesens bewußt ist, ohne sich ihnen romantisch hinzugeben, sind Schritte, die von einer Einheit im Bild zu einer Vielheit im Denken führen, die sich nicht, auch metaphorisch nicht, in ein Formenschema pressen läßt: Eine Frau ist keine Rose, eine Rose ist keine Frau. Diese Absage an eine referierende Gegenständlichkeit einerseits, an eine vertraute Metaphorik andererseits, mag leicht Mißverständnisse provozieren. Aber so wurde die Zeichnung, in ihrem ureigensten Spannungsfeld zwischen sinnlicher Spontaneität und abstrakter Reflexion, wieder interessant und wird für die Kunstentwicklung der achtziger Jahre einmal als genauso wichtig, wenn nicht bedeutender als die viel spektakulärer zu publizierende und verkaufende Auferstehung des Tafelbildes erkannt werden. Iris Andraschek gehört zu jenen jungen österreichischen Künstlern, deren künstlerisches Curriculum in dieser Entwicklungsphase der Zeichnung begann. Bereits während ihres Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Maximilian Melcher (1982-1986) erhielt die aus Horn (Waldviertel) gebürtige Niederösterreicherin den Fügerpreis in Silber und den Meisterschulpreis. 1986 folgten Preise beim Innsbrucker Grafikwettbewerb und des Landes Niederösterreich, 1987 ein Ankaufspreis beim angesehenen Römerquelle-Wettbewerb. Die Ausstellungsliste ist seit dem Diplom beträchtlich angewachsen. Der Erfolg der überraschend jungen Künstlerin ist um so beachtlicher, als die oben skizzierte Entwicklung auch eine Konkurrenzsituation zur Folge hatte, die Originalität um jeden Preis erzwingt. Iris Andraschek zeichnet sich in dieser Situation dadurch aus, daß sie immer unverwechselbarer wird, ohne der Versuchung zur oberflächlichen Originalität zu erliegen, daß sie immer präziser in ihrer Bildsprache wird. Vordergründige Expressivität ist dabei ihre Sache nicht, genausowenig wie das intellektuelle Zitat. Am präzisesten ließe sich die Verklammerung der Bildelemente als poetische Struktur beschreiben. Eine literarische Künstlerin also? Jedenfalls eine, die dem Betrachter noch viel zu sagen haben wird, obwohl sie jetzt schon einen gültigen Beitrag zur gegenwärtigen Zeichnung geliefert hat. (Das Motto von Erich Klein ist dem Text entnommen, den er für den Katalog Balanceakt ’88, Neue Kunst aus Niederösterreich, über Iris Andraschek geschrieben hat.)