Subtile Charakterstudien
Isabella Breiers literarische Texte entwickeln geradezu überbordend vielstimmige Qualitäten. Sie sind sprachverspielt und -verliebt bis ins Manieristische und zugleich bestechend klar im Ausloten subtiler Zwischenräume und -töne; höchst virtuos in der literarischen Inszenierung von Subtexten und Doppelbödigkeiten, dann wieder von ebenso schutzloser wie entwaffnender Direktheit.
Zwei Romane, zwei Erzählbände und eine Sammlung von Gedichten hat die 1976 in Gmünd geborene Autorin bislang veröffentlicht, und zusammengenommen ergeben diese Publikationen ein unverwechselbar vielschichtiges Werk. Im Zentrum stehen die beiden langen Prosatexte «Prokne & Co.» bzw. «Allerseelenauftrieb», beide im Jahr 2013 in zwei hochverdienten österreichischen Kleinverlagen (Kitab, Mitter) erschienen. Wie bei der Geburt getrennte und am Ende doch wieder vereinte Zwillinge lesen sich diese Prosastücke, die sich sowohl implizit als auch explizit höchst beziehungsreich zueinander verhalten. In beiden Texten verweben sich die Geschichten ihrer Figuren zu einem Bedeutungsdickicht, dessen Lektüre in die tiefsten Schichten dessen führt, was mit Liebe, Freundschaft, Verwandtschaft oder Beziehung jeweils nur unzureichend beschlagwortet werden kann.
Müsste man ein bestimmendes Thema in Isabella Breiers allzu menschlicher Prosa-Komödie benennen, so ließe sich dies vielleicht in der Verstricktheit des Individuums in den Fängen des Anderen ausmachen. Breier interessiert sich für die Wunden, die Menschen sich in ihren gegenseitigen Betastungen zufügen, ebenso wie für das «Miteinander-umgehen-Lernen», für das Rettende, das in den Begegnungen als utopisches Versprechen zuweilen auftaucht. Breiers Prosa hat eine bewusst szenische Ausrichtung, die manchmal an das Drehbuch eines Nouvelle-Vague-Films erinnert.
Über all diese versammelten Abgründe, Niederträchtigkeiten und anderen Verbindlichkeiten tanzt Isabella Breiers Sprache mit wunderbar verstörender Leichtigkeit hinweg. Das ihr «eingeschriebene» Groteske ist ebenso Balsam wie Juckpulver in den offenen Wunden der Existenz.