Jakob Gasteiger

Bildende Kunst
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Stringenz und Vielfalt

Seit einigen Jahren ist das Weinviertel zentraler Ort für Jakob Gasteigers künstlerisches Schaffen. Gasteiger hat sich als solitäre Position in den 1980er Jahren vom allgemeinen Kanon des Neoexpressionismus distanziert, indem er einen minimalistisch abstrakten Weg in seiner Malerei eingeschlagen hatte. Dabei spielen Monochromie, die Farbe als opake Struktur der Bildfläche und das prozessuale Moment abseits des emotionalen persönlichen Gestus eine gewichtige Rolle. Diese Eigenschaften finden sich ebenso bei den internationalen Protagonisten der Radikalen Malerei, allen voran bei Marcia Hafif, Günter Umberg und Joseph Marioni, die Malerei als analytische Praxis forcieren. Im Englischen gibt es für Farbe zwei differenzierte Begriffe: Colour (als optischer Wert) und Paint (als taktiler Wert). In diesem Wechselspiel befinden sich die Bilder jener Künstler. Gemein ist ihnen auch eine Stille und Leere, eine Verweigerung gegenüber Bildinformation und Ausdruck des Künstlers als Kreators. Zentral ist ebenso die faktisch objekthafte Wirklichkeit des Kunstwerks, das
Bildende Kunst
ein artifiziell geschaffenes Ding unter anderen Dingen und kein Mediator inhaltlicher, illusionärer oder metaphysischer Informationen ist. Entscheidend ist stets die handwerkliche Machart der Malerei: Jakob Gasteigers Gestus beschränkt oder konzentriert sich oft auf einen durchgehenden Zug des Kamms durch die Farbpaste, die auf dem Bildträger zuvor aufgetragen wurde, wodurch ein anonymes mechanisches Verfahren im Vordergrund steht. Der individuelle Duktus scheint zur Gänze zurückgenommen.Aus dieser klassischen Perspektive wie etwa Rembrandt oder Willem de Kooning den Pinsel führen – ist der Begriff des Malens bei Gasteiger nur schwer anwendbar, trotz aller malerischen Qualitäten und Effekte, die auf der Bildfläche sichtbar werden. Vielleicht könnte man besser vom Bilder«Machen» oder -«Produzieren» sprechen, ohne aber den persönlichen Impetus, den körperlichen Einsatz des Künstlers im Arbeitsprozess auszuschließen. Der Zug des Kamms ist im Endprodukt evident, die Spur sichtbar. Manchmal integriert Gasteiger Dynamik und Schwung in seine Bilder, indem er Bögen und Kreisformationen mit seinem Instrument in die Farbpaste zieht. Der ganze Körpereinsatz gegenüber dem zähen Widerstand der pastos aufgetragenen Malschichte ist eingeschrieben. Oft lagert der Künstler mehrere Farbschichten übereinander, transluzide, schimmernde Vorhänge entstehen, die dem Bild eine sensitive malerische Note verleihen. Neben den Gemälden bilden die «Papierarbeiten», die seit den 1980er Jahren entstanden sind, einen wichtigen Schwerpunkt in Gasteigers Werk. Sie begleiten bis heute konstant seine malerischen Arbeiten. Favorisierter Werkstoff ist hierbei das Kohlepapier, das seinem funktionellen Kontext für die Schreibmaschine entrissen wurde. Zuerst entstanden noch serielle Kompositionen innerhalb des Bildgevierts, im minimalistisch geometrschen Formenkanon. In der Folge übertrug Gasteiger diese Vorgangsweise auf die Wand, markierte vorwiegend markante innenräumliche Zonen, wie etwa vorspringende Mauersegmente oder Wandflächen, die von barocken Gesimsen eingegrenzt waren. Materialität und Prozess finden im gesteigerten Maße ihre Ausprägung in den skulpturalen Arbeiten des Künstlers, wenn Gasteiger amorphe Aluminiumgüsse fabriziert.Der Zufall ist Begleiter der Werkproduktion. Anstelle eines gezielten Handanlegens und Formens von Stein oder Holz lässt Gasteiger den Prozess über die Formwerdung des flüssig heißen Aluminiums im kalten Wasserbad mitbestimmen. Jakob Gasteigers künstlerisches Werk zeichnet sich durch Stringenz und Vielfalt aus – abstrakt minimalistisch, prozessual und medial facettenreich.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2017