Vom Mäandern und Strudeln des Weltstroms
In seinem Prosadebüt Kosmologie erschreibt sich Jakob Kraner eine eigene Textgattung, die, irgendwo zwischen Parabel und Roman angesiedelt, auf humorvoll nüchterne Weise nach den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten einer Welterklärung fragt. Bereits in der Versuchsanordnung dieses experimentellen Textes klingen prominente philosophische Vorbilder an, die in überschaubaren Schritten ein systematisches Weltganzes deduzieren wollen. Bei Kraner bleibt davon vor allem ein kühler Blick und ein strikt einzuhaltender formaler Rahmen, der in weiterer Folge zum Schauplatz seiner Welterschreibung wird – einem Schauplatz, der reichlich Platz für ironische Brechungen bietet. Als Protagonistinnen begegnen dort abstrakte Formen wie Rohre und Flächen, aus deren Beschreibung minutiös die Fülle der Welt entfaltet wird: Auf Knicke und Deformationen, die diesen Rohren widerfahren, folgen Atmung und Schrei – bis hin zu großen Motivkomplexen wie Trauma und Tod. In Kombination mit einem Erzählstrang in den Marginalien des Textes entsteht eine facettenreiche Erzählung, der es gelingt, ein dichtes Gewebe aus Anspielungen und Doppelbödigkeiten zu weben und zugleich, der Logik der sukzessiven Entwicklung folgend, als lineare Narration zu überzeugen. Begleitet wird der Text von Fotografien und Zeichnungen, die den einzelnen Entwicklungsschritten der Kosmologie Skizzen hinzufügen, um sie als modellhafte Topologien lesbar zu machen. Leichtfüßig werden so oftmals reduktive Mechaniken von gängigen Erklärungsmustern vorgeführt, sodass bald nicht mehr unterscheidbar ist, ob die Strenge der Form in surreale Gebiete geführt hat – oder ob nicht vielmehr in diesen Figuren einer übersteigerten Poetik eine gehörige Portion Realismus zum Vorschein kommt. Es ist eine Freude, Jakob Kraner dabei zu folgen, wie er formbewusst und leicht den Schattenwurf geteilter Erklärungen vor Augen führt.