Heimlichkeit, Unheimlichkeit, Heimat
Samuel Beckett schreibt in seinem Miniaturlibretto «Neither» vom «unspeakable home», dem eine wandernde Figur zustrebt, vor dem sie zurückschreckt und sich dann doch wieder annähert. Für die Arbeiten Jessica Hausners ließe sich ein ähnliches Sprachbild für eine Beschreibung heranziehen. Die in Niederösterreich aufgewachsene Autorin, Regisseurin und Produzentin (coop99) zählt zu den wichtigsten und eigenwilligsten Stimmen des jüngeren österreichischen Filmschaffens. In ihren Langfilmen, die eine kontinuierliche Entwicklung zeigen, widmete sie sich auf unterschiedlichsten Wegen den Zwängen des Heimatlichen, den Fragwürdigkeiten des Heimischen und der Herausarbeitung des Unheimlichen: In «Lovely Rita» (2000) erkämpft die Protagonistin mühsam einen Weg aus familiärer Enge und schulischen Normierungsversuchen. Die Zuneigung zum Nachbarsjungen, wie sie ein Außenseiter, erweistsich als Fehler. Der Kampf um Anerkennung verdichtet sich und ist schließlich als Vorgeschichte eines (weiteren) Kriminalfalls lesbar. Irène, die Hauptfigur aus «Hotel» (2004), wird mit den Worten «Der Teufel schläft nicht» weniger in ihre Pflichten als neue Mitarbeiterin im bedrohlich inszenierten Berghotel eingeführt, denn vor dem Kommenden, dem Unausweichlichen halbherzig gewarnt. Im Handlungsverlauf, der eine an David Lynch gemahnende Atmosphäre des uneingeschränkt Unheimlichen entfaltet, tritt sie in mehrfacher Hinsicht einen Gang in die Dunkelheit an und fällt einem unerklärten Bösen – ist es die fragwürdige Kollegenschaft oder doch die lokale Legende einer Waldhexe? – zum Opfer. Der reflektierte Umgang mit Genreelementen im Rahmen einer individuellen künstlerischen Sprache kennzeichnet auch Hausners jüngsten Spielfilm, «Lourdes» (2009). Mit der Schilderung der (vermeintlichen) Wunderheilung der glaubensskeptischen Christine im prominenten Wallfahrtsort und der daran anschließenden Auseinandersetzung nach der Dauer von Glück gelang Hausner konsequent die stimmige Erweiterung ihres Schaffens. Der Verhandlung der mitunter fragwürdigen, aber auf jeden Fall zu befragenden Heimat, der Auseinandersetzung mit dem «unspeakable home» ist sie dabei treu geblieben. Die Bewegung dauert an