Johannes Friedrich Lurf

Medienkunst
Künstlerisches Video, Kunst im elektronischen Raum und die Grenzen von Fachdisziplinen überschreitende Kunst
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Ausgrabungswerkzeug: Humor

Mediale Bilder nehmen uns üblicherweise in dem Maße ein, in welchem ihre technische Konstruiertheit verborgen bleibt. Johann Lurf sieht gerne in dieser Dunkelheit des medialen Apparats genauer nach, um dessen Einfluss auf die hervorgebrachten Bilder und entstehenden Inhalte freizulegen. Dabei ist die klassische Filmkamera, nach Hollis Frampton die letzte in ihren Teilen nachvollziehbare Maschine, Lurfs bevorzugtes mediales Forschungsgelände.
Zu seinen wichtigsten Ausgrabungswerkzeugen zählt hierbei der Humor. Wenn der 1982 geborene Künstler etwa mit seiner Vespa 100 Kreisverkehrsanlagen im südlichen Niederösterreich umknattert (»Kreis Wiener Neustadt«, 2011) und dabei seine Handkamera auf deren immer bizarrer erscheinende Zentren wirft, so geht es ihm nur vordergründig um die repetitive Tristesse des gestalteten Alltags. Vielmehr entlarvt sich das scheinbar Dokumentarische bei Johann Lurf als die aus dem Ruder gelaufene Apparatur selbst. Das dem Film eigene Mittel der Endlosschleife wird hier als selbstläufiger Vervielfältiger oder Inkubator des Realen wirksam, das Knattern des Filmvorschubs läuft im Vespa-Motor heiß, der Zuschauer taumelt im Drehschwindel nicht in Richtung Mittelinsel des Kreisverkehrs, sondern ins Zentrum der medialen Konstellation.
Die Ortserkundungen des vom niederösterreichischen Kaumberg aus international umtriebigen Künstlers zeichnen sich auch durch eine gewisse Unermüdlichkeit aus. So fokussiert Lurf etwa aus 24 verschiedenen Kamerapositionen auf einen anachronistischen Pyramidenbau, der seit den frühen 1980er Jahren die kommerzielle Agglomeration südlich von Wien markiert (»Picture Perfect Pyramid«, 2013). Je unablässiger die über einen ganzen Tageslauf gefilmten Sequenzen, zu gegenläufigen Spiralen montiert, das fixierte Sujet einkreisen, desto mehr entgleitet seine Erlebnisarchitektur einer Dokumentation. In weitwinkeligen Einstellungen wird ihrer vom Transitverkehr geprägten banalen Umgebung viel Platz eingeräumt, jedoch vermag gerade diese Rahmung das Unheimliche des Medialen selbst in Szene zu setzen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2013