Johannes Spalt

Architektur

Kontinuität ohne Brüche

Wenn man für Johannes Spalt nur einen charakteristischen Begriff für seine Arbeit verwenden dürfte, dann wäre das wohl jener der Kontinuität. Zwischen den Stationen der „Arbeitsgruppe 4″ (mit Wilhelm Holzbauer und Friedrich Kurrent, bis 1964) und der Zusammenarbeit mit Kurrent (bis 1974) und seinen schon früher einsetzenden eigenen Arbeiten gibt es keine Brüche. Ein Entwurf scheint aus dem anderen logisch und in kleinen Schritten hervorzugehen, eingebunden in einen umfassenden Architekturbegriff, der wieder die Kontinuität, die vielfältige Verflechtung mit der österreichischen Moderne und Antennen für die Strömungen der Gegenwart aufweist. Zweifellos fasst Spalts ausgewogener Architekturbegriff in der Tradition eines Wagnerschen Funktionalismus, der, selbst eingebunden in eine komplexe und kontroversielle kulturelle Situation, sich als ein künstlerisches Programm verstand. Die Auseinandersetzung mit Adolf Loos und Josef Frank haben diese Vielfalt nicht beschnitten, sondern vertieft.
Spalt, dessen Arbeit in guter Wiener Tradition um das Wohnen und den Wohnbau kreist – und der vermutlich deshalb nie einen Gemeindebau ausführen durfte -, hat sich im Rollenverständnis des gebildeten Architekten fast mit allem beschäftigt, was herkömmlich in dessen Wirkungsbereich liegt, also vom Entwurf industriell hergestellter Möbel bis zu städtebaulichen und planerischen Problemen (etwa einer Entwicklung Wiens nördlich der Donau, mit Kurrent 1964, die heute Realität zu werden beginnt); Spalts Kirchen, Banken, Industriebauten, Wohn- oder Privathäuser, ob alleine oder in der Arbeitsgemeinschaft entworfen, wurden nicht selten prototypische „Schlüsselbauten“ zum Thema. Die österreichische Architekturgeschichte wäre ohne „Parsch, Steyr-Ennsleiten, Aigen, Floridsdorf, Spitz“, oder „Am Wienerberg“ nicht denkbar oder um vieles ärmer. Trotz der Ausgewogenheit der Elemente, der Bindung an konstruktive und materielle Gesetze, die Benutzung klassischer Ordnungsprinzipien (Achsen, Raumfolgen) und der visuellen Dominanz von, Stütze und Last“ haben Spalts Bauten eine unverwechselbare Physiognomie und eine einprägsame Aura, die Erinnerung erlaubt etwa an die Intimität slowakischer Holzkirchen, an das Licht türkischer Innenräume, an fernöstlich Beschirmtes -, die sich aber nie auf Modisches oder vordergründige Effekte einlässt. Spalt scheute sich im Sinne von Loos nie, kollektive Erfahrungen und gesellschaftliche Konventionen zu akzeptieren, das Erfinderische lag selten im Vokabular, sondern eben im Gedanken.
Spalt hat sich schon in den frühen fünfziger Jahren, als es galt, die österreichische Tradition der Modeme zu entdecken und Anschluss an die internationale Architektur zu finden, große Verdienste erworben. Er war, wenn man so will, der H.C. Artmann der jungen Architektur, der seinen Informationsvorspung (er ist zehn Jahre älter als seine Studienkollege) nicht für seine Karriere behielt, sondern mit seinen Kenntnissen gewissermaßen eine endlose Diskussion ankurbelte. Die spätere Ausstellungstätigkeit war in und mit der „Arbeitsgruppe 4″ ein Programm zur Bildung eines öffentlichen Architekturbewußtseins. Die Ausstellungen von 1956 bis 1964 Kirchen unserer Zeit, Theaterbau, Adolf Loos und Architektur in Wien um 1900″ sind heute vergessen, da es kein Geld für Kataloge gab.
Es lag in der Logik der didaktischen Anliegen Spalts, in der Konsequenz seiner unermüdlichen Vermittlungsversuche von Architektur, dass er schließlich Lehrer und Leiter einer Meisterklasse am Stubenring wurde. Er war sicher kein konzilianter oder gar nachsichtiger, sondern eher ein fordernder, unzufriedener „Meister“. Viele Schüler werden ihm das, wenn vielleicht auch erst in späteren Jahren, zu danken wissen. Ich selbst verdanke Spalt sehr viel, sicher mein erstes kritisches Nachdenken über Architektur, manchmal hätte ich Lust, eine kleine Studie zu machen, wieweit die Holzmeister-Schule der frühen fünfziger nicht auch eine Schule von Spalt war.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1994