Josef Danner

Bildende Kunst

Erzähler der Farbe

Josef Danner, geboren 1955 in Amstetten, NO, ist Autodidakt. Nach einem Studium der Philosophie und Geschichte in Wien wendet er sich ganz der Malerei und der Zeichnung zu. Sein Auftreten in der Musikgruppe ,,Molto Brutto“, die eine Mischung „aus Discomusik und Höllenlärm“ produziert, ist wohl als Ausgleich zu seiner puren Malerei zu verstehen. Denkt man an Ad Reinhards ironische, höchst originelle Zeichnungen, in denen er dem Subjektivismus frönen konnte, den er aus seiner Malerei verbannte, so könnte man sich den „Kompensationseffekt“ erkären. Die Erfahrung des Wiener Aktionismus, seiner kriegerischen Härte“, den internationalen Durchbruch der österreichischen Malerei in der Vergangenheit hat die jüngste österreichische Künstlergeneration, zu der auch Josef Danner gehört, quasi in der Tasche. Die Geschichten, die Anzinger, Mosbacher und Schmalix erzählen, sind nicht die ihren vorerst jedenfalls nicht. Zwei Ausstellungen seien genannt, die Werke dieser Künstlergeneration zeigten: Woher wir wieso gekommen sind“ (1983/84 Köln, Graz) und ,,Hacken im Eis“ (1986 Kunsthalle Bern, Mus. mod. Kunst Wien /Mus. d. 20. Jh.s). In der letzten der beiden Ausstellungen sind Gerwald Rockenschaub, Heinrich Pichler und Gilbert Bretterbauer nicht mehr vertreten Hubert Scheib! stößt zu der Gruppierung (die keine Gruppe ist!) hinzu. Gemeinsam ist ihnen allen das strenge Verbleiben im Medium Malerei das Bild wird noch (oder wieder) in seiner klaren Begrenzung proklamiert. Sie teilen die Vorliebe für relativ pastose verdichtete Malerei und Sujets, die sich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion bewegen. Unterschlägt man die Gedankenakrobatik einiger der Katalogschreiber, so ist damit schon der common sense erschöpft. Probleme, wie etwa das der Nichtdarstellbarkeit der Welt in der Postmoderne (in der eine naturalistische Wiedergabe eines Gesehenen das Gemeinte nicht treffen könne, da die Bezeichnung des Naturalistischen umbesetzbar geworden sei, und in der der Naturalist den Krokodilsrücken für die Insel nähme), lassen sich nicht generell von oben auf diese Malerei als Legitimationsetikette aufkleben sie sind am einzelnen Beispiel genau zu untersuchen. Josef Danner war auf beiden Ausstellungen zu sehen, weiters in Galerien in Wien und Frankfurt (Pakesch, Grässlin). Er malt auf variierenden Formaten mittlerer Größe seine Bilder, die von einem dunklen Grund her aufgebaut sind. Dämmrige bis glühende Farben, die wie ein Juwel aus eigener Substanz zu leuchten scheinen; irisierendes Blaugrün, ein an Rembrandts Palette erinnerndes Braungold und Zwischentöne bilden ein verkrustetes Farbrelief. Das ureigenste Anliegen der Malerei kommt hier zuallererst und vielleicht auch im finalen Anspruch zu seinem Recht. Alles, was auf der Bildfläche erzählt wird, ist, sofern der Begriff „Erzählung“ angebracht ist, eine Erzählung der Farbe. Bildthemen sind Landschaften, Engel, Köpfe. Anklänge an Figuren, besser Figurationen (was das WERDEN der Figur impliziert), sind durch hellere pastose Farben hervorgehoben. An den meisten Stellen bleibt der dunkle Grund sichtbar, durchdringt die Formwerdung, ringt mit ihr, ist mindestens präsent durch den granulierenden, zuweilen gespachtelten Farbauftrag; oder er behauptet sich in einer Umkehrung der dominierenden Figur-Grund-Beziehung durchwühlt die Figuration. Auf dem Erkennen eines Engels (,,o. T.“ 1984) in einer gelben, mit ondulierenden Pinselstrichen hervorgehobenen Form, kann man wohl schlechter insistieren als auf dem Erkennen einer Straße in der (galaktischen) Milchstraße am Sternenhimmel! (Obwohl der Künstler selbst das Bild mit Engel bezeichnet.) Das Ringen um die Darstellung wird von Danner ohne ikonographische Hilfsmittel vorgetragen. (Ulrich Loock spricht in seinem Ausstellungskatalog vom Engel „als Emblem der Malerei“, also einer GENAUEN BEZEICHNUNG, während er einige Zeilen vorher mit der Nichtdarstellbarkeit von Dingen, also der UNMÖGLICHKEIT EINER GENAUEN BEZEICHNUNG diese Malerei begründet! Ein romantisches Bild, etwa von C. D. Friedrich, stellt das Nichtdarstellbare, das Unsichtbare symbolisch oder mental dar. (Der ,,Mönch am Meer“ z. B. blickt in die Ferne und wir durch ihn über das Bild hinaus.) Seine somit induzierte, transzendente (also das sinnlich sichtbare Übersteigende) Erfahrung verläßt deutlich den Bereich „Bild-Perzeption“ zugunsten eines mystischen Verstehens. Mystisch“ (vom griech. mystein) bedeutet: ,,die Augen verschließen“. Indem Danners Figurationen nun aber gerade nicht symbolisch oder auf erzählerische Weise das Unsichtbare erzwingen, sondern ES SELBER SIND MATERIALITER sind die Formwerdungen dem Bildleib eingeschrieben, zwingen seine Bilder zum Verbleiben in der Anschauung. Das ist es auch, was diese Bilder im Sinne des Wortes FESSELND für den Betrachter macht, und es ist streng zu scheiden von Aura-erheischender „Neoneoromantik“. In neueren Gemälden Danners wird die beschriebene Beziehung aufgebrochen, und zwei Entwicklungsstränge deuten sich an: Das Auseinanderziehen der pastosen, verdichteten Farbräume in Kompositionen von relativ großen amorphen Farbflächen, wobei sich ganz Abstraktes, aber auch höchst gegenständlich lesbare, jedoch immer diesbezüglich ambivalente Landschaftseindrücke ergeben können. Oder aber die Darstellung eines Kopfes wird in Angriff genommen, wobei das Problem des runden, geschlossenen Bildgegenstandes in einem verwobenen Spannungsfeld von pastosen, prächtigen Verdichtungen und lyrisch anmutenden Lasuren ausgetragen wird. (,,Kopf“ von 1985 ist ein gutes Beispiel hierfür.) Undenkbar ist diese Entwicklung ohne die Zeichnungen Josef Danners, die auch ihrerseits von den malerischen Motiven und Lösungen durchsetzt sind. Sie können hier leider nur kurz erläutert werden, obwohl sie sicher einer besonderen Würdigung bedürften. Mit Kreide oder Kohle werden Gesichter, deformierte Fratzen und Köpfe zu Papier gebracht. Schattierungen wuchern aus gesprenkelt wirkenden, punktierten oder zirkulierenden Strichlagen, oder aber aus der breiten Kante des quergelegten Stiftes ergeben sich malerische Übergänge. Indem weiße Stellen durch virtuose Zeichentechnik hervorgekehrt werden und die Kreidepartikel sich tief eingraben, oder aber bei lavierten Zeichnungen die Farblachen einsikkern und das unerträgliche Weiß materialiter durchdringen, kommt die enge Verwandtschaft zum Anliegen seiner Malerei zum Ausdruck. Das jeweilige Medium bleibt im eigentlichen Sinne der Ort der authentischen Erfahrung. „The medium is the message“ ist hier nicht im hermetischen Sinne einer Endmoderne zu verstehen, sondern im transformatorischen Sinne. Das heißt: die Malerei bzw. Zeichnung Danners vergewissert sich des ihr Anderen nur durch die erregte Vergewisserung ihrer selbst, transformiert das Andere, indem sie sich selbst ,,formiert“ – kann das Andere nur behaupten, indem sie sich selbst behauptet.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1987