Sein immerwährendes Interesse an allem Lebendigen
Ein Maler zu sein: Nicht mehr, aber auch nicht weniger, was bei genauer Betrachtung eh nicht so wenig ist, das ist es, was den Künstler Josef Kern am besten beschreibt. Er „kämpft“ sich an den klassischen Genres der Malerei ab: Porträt, Stillleben und die Kombination beider. Immer geht es ihm darum, das Eigentliche zu erfassen, und das ist für ihn zumeist die Erotik.
Geboren wurde Josef Kern 1953 in Schiefer in der Steiermark. Fasziniert von den an klösterliche Skriptorien erinnernden Schreibpulten, tritt Josef Kern gemeinsam mit seinem späteren Malerkollegen Alois Mosbacher als Gymnasiast in das kleine Seminar in Graz ein, damals noch fest entschlossen, Priester zu werden.
Die Begeisterung für diesen Beruf verblasste aber gleichzeitig mit dem Verschwinden der wunderschönen Schreibpulte schon nach wenigen Wochen. Gleichzeitig wuchs in ihm das Interesse an der bildenden Kunst. Nach der Matura ging Kern nach Wien, um an der Akademie der bildenden Künste zu studieren. In den 80er Jahren wurde er zu den „Neuen Wilden“ in Österreich gezählt.
Josef Kern lebt und arbeitet nun schon seit fast 20 Jahren in einem von ihm liebevoll renovierten Bauernhof im nördlichen Weinviertel.
Um Kerns Schaffenskosmos begreifen zu können, ist man gut beraten bei seinen Porträts zu beginnen, besser noch bei seinen Selbstporträts. Er zeigt sich selbst als den ewigen Homo eroticus, als den Künstler, dessen Schaffensmotor die körperliche Liebe ist. Durch sein immerwährendes Interesse an allem Lebendigen ist es nur logisch, dass Kerns Schaffen auch dort seinen Ursprung hat, wo das Leben beginnt – in der sexuellen Begegnung zweier Individuen. Der Künstler präsentiert sich uns beispielsweise in einem seiner bedeutendsten Selbstporträts mit dem Pinsel in der Hand, der hier als Stellvertreter für seinen eigenen Penis dient. Im selben Bild liegt die Hand der damaligen Lebensgefährtin auf dem erigierten Geschlechtsteil des Malers. In keinem einzigen Selbstporträt aber zeigt sich der Künstler repräsentativ oder be-
schönigend, immer blickt er uns direkt, ja tief in die Augen, und lässt uns so beinah rückhaltlos an seiner Verwundbarkeit teilhaben.
Die Intimität, in die man beim Betrachten dieser immer im Atelier des Künstlers angesiedelten Szenen eingeladen wird, ist kennzeichnend auch für zahlreiche Porträts, die Josef Kern von Freunden und Kollegen gemalt hat. Zumeist sehr kleine Leinwandquadrate werden über den Bildrand hinaus mit der Persönlichkeit der Porträtierten befüllt, man könnte fast sagen, zu einem Konzentrat vermalen.
Ich selbst durfte in jungen Jahren für Josef Kern in seinem damaligen, auch im Winter wenig beheizten Atelier in der Schönbrunner Straße Aktmodell stehen. Sehr bald musste ich bei der ersten Sitzung feststellen, dass Kern ausschließlich direkt vor dem lebenden Modell malte, was mitunter Stunden dauern konnte. Die radikale Offenheit zwischen Künstler und Modell hatte Folgen: eine schwere Bronchitis und einen neuen lieben Freund.
Wenn uns Josef Kern in die Welt seiner Pflanzenporträts entführt, dann ist auch hier das Gezeigte selten jugendfrei. Scheinbar harmlose Blüten führen ihr klandestines Liebesleben abseits unserer menschlichen Wahrnehmung, was nur durch den weltentdeckerischen Blick des Künstlers für uns sichtbar gemacht wird. Aber nicht nur diesseitige Welten charakterisieren Josef Kerns Schaffen.Boschsche Wesen, die meist Erotisches im Schilde führen, bevölkern nicht nur die Grenzen innerhalb des klassischen Bildträgers, sondern führen ihr groteskes Treiben besonders gern jenseitig dessen fort, auf den vergoldeten Reliefs der Bilderrahmen. Die Art und Weise, seinen Wesen einen Rahmen zu geben, führt der Künstler selbst auf sein Interesse an mittelalterlicher Buchmalerei zurück.
Die Zeichnung ist als Ausgangspunkt und Grundlage für alle seine Groteskenmalereien zu sehen. Nichtsdestoweniger muss sie jedoch als gleichwertige, aber bis jetzt zu wenig gewürdigte Ausdrucksform seiner künstlerischen Tätigkeit neben der Bildhauerei und der Malerei Beachtung finden.
Unbeirrt von zeitgeistigen Kunstströmungen wandert Josef Kern auf den ausgetretenen Wegen der Malerei, stets die Gegenwart im Blick, um den nachkommenden Generationen seine sensible Sicht auf das Leben zu hinterlassen.
Florian Nährer