Judith Fischer

Bildende Kunst

Überwindung der Widerstände

Judith P. Fischer, geboren 1963 in Linz und aufgewachsen in Hainburg, ist eine künstlerische Doppelbegabung. Parallel zum Studium der Bildhauerei an der Hochschule für angewandte Kunst bei Wander Bertoni absolvierte sie eine klassische Gesangsausbildung an der Wiener Musikhochschule. Auch in der beruflichen Praxis blieb sie über längere Zeit beiden Musen treu, bis letztendlich die Bildhauerei ganz von ihr Besitz ergriff. Bis 1997 arbeitete Judith P. Fischer fast ausschließlich mit Stahlblech. Es entstanden präzis gefertigte Skulpturen von reduzierter, geometrisch strenger Form, die oft von Widerstand und Durchdringung handeln. -Ein Thema, mit dem man nicht nur in der Kunst, sondern auch im Leben permanent konfrontiert ist, so Fischer: ,,Erst die Überwindung von Widerständen, das Durchdringen, Diffundieren machen ein Ziel zur Herausforderung“. Eine andere inhaltliche Komponente, die bereits in den Metallarbeiten spürbar wird, ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper. Skulpturen wie „Eye“ oder ,,Skull“ sehen den Menschen in stark abstrahierter Form als pars pro toto. ,,Skull“, der Kopf als Teil des Ganzen, ist zugleich aber auch als Ganzes, nämlich als Körper eines kauernden Menschen, zu verstehen. Im „Evolaprojekt“ von 1997, einer Werkgruppe aus weiß beschichtetem Stahlblech, geht die Künstlerin ebenfalls vom Umriss des kauernden Menschen aus. Diesmal assoziiert mit dem Umriss des Eies, wird die Form in ein Oval mit oktogonalem Querschnitt verwandelt und geometrisch exakt festgeschrieben. Bei aller durch den Werkstoff bedingten „Konstruiertheit“ berühren diese Skulpturen durch ihre Sinnlichkeit, die mit einer äußerst vielschichtigen Symbolik einhergeht. So etwa soll ein Nest aus Stroh die aus Metall geformten „Menschen-Eier“ vor Eindringlingen schützen und eines aus Stahlwolle natürliche Eier ,,ausbrüten“. Hier spielt auch der Symbolcharakter des Materials eine wesentliche Rolle. Zentraler Ausgangspunkt der jüngsten Arbeiten, beginnend mit dem „Evolaprojekt“, ist der Dialog von Kunst und Natur sowie das Experimentieren mit neuen Materialien. Im Zuge ihres Paris-Stipendiums (1998/99) hat die Künstlerin erstmals weiche Werkstoffe- Latexhandschuhe und PU-Schaum für ihre Arbeit entdeckt und sich damit um einen weiteren Schrittvon derklassischen Skulptur entfernt. Erste Blüten dieser künstlerisch wegweisenden, aufFischers Skulpturbegriffverjüngend wirkenden Begegnung sind die „Chrysanthemes“, große kugelförmige Objekte, die in ihrer sinnlichen Erscheinung dem Naturvorbild verblüffend nahe kommen. Es äußert sich nun erstmals eine organische, weiche Formensprache, die scheinbar unkontrolliertes Wuchern nach allen Richtungen erlaubt, zum Fühlen und Tasten animiert. Man hat den Eindruck, als würde sich in diesem Werk die Überwindung mehrerer Widerstände bewahrheiten: der Widerstand von Material, Form und Inhalt. Nicht zuletzt lassen sich nun für den Betrachter die Intentionen der Künstlerin klar nachvollziehen. Anhand von computergenerierten, die Plastiken begleitenden Fotoserien (Morphings), welche die Verwandlung vom Kunst- zum Naturobjekt in Einzelbildern Schritt für Schritt dokumentieren. Dass die Metamorphosen das eine Mal von einer künstlichen, das andere Mal von einer natürlichen Form ausgehen können, macht die Sache besonders reizvoll. – Ein solches Foto-Morphing hat durchaus auch als eigenständiges zweidimensionales Werk seine Berechtigung. Nach den Gummihandschuhen entdeckte Fischer Luftballons als gestaltungswilliges Material. Mit Zucker gefüllt und zu Dutzenden auf einem stützenden Gitter zu einem Kissen montiert, verführen sie zu süßen Träumen. Andererseits können sie aber Alpträume a la „Brazil“ hervorrufen, nämlich wenn sie als ,,Elastozoiden“ aus der Wand hervorzuquellen scheinen oder gar Eigenleben entwickeln und ihrer Schöpferin fotografisch das Gesicht zu ,,zerschnüren“ drohen. Der harmlosere, voluminösere Ableger der ,,Elastozoiden“ hingegen hat sich als ,,Kunst in der Landschaft“kompatibel erwiesen und treibt dort, in Prigglitz, inmitten heimischer Wiesenblumen, die größten und schönsten gelben Blüten.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2000