Stabilitas – musicä causa
Die nach den Regeln des hl. Benedikt lebenden Orden haben als unverrückbare Vorschrift die «stabilitas loci» – die Festigkeit des gewählten Klosters. Die Zisterzienser wollten mit ihrem Auftreten im 12. Jahrhundert – in Zeiten des Verfalls mönchischen Lebens – die benediktinischen Regeln, somit auch jene der Ortsfestigkeit, ganz besonders ernst nehmen.
Dieser Reformeifer, welcher in der Rückwendung zu den Wurzeln so etwas wie einen «konservativen Aufbruch zu Neuem» zeigt, veranlasste die babenbergischen Markgrafen und Herzöge in Österreich schon früh, diesen Orden in ihrem Lande zu protegieren – Heiligenkreuz wurde 1133 von Leopold III. dem Heiligen gegründet, dessen Urenkel Leopold VI. dann 1202 von dort Mönche nach Lilienfeld entsandte.
Markgraf und Herzog bewiesen im Vertrauen auf diesen Orden kirchen- und landespolitischen Weitblick – denn gerade die Ortsfestigkeit der jeweiligen Klostermannschaft machte es durch Kontinuität möglich, den Stiften landesspezifische Aufgaben etwa in der Land- und Forstwirtschaft und der Kultur zu übertragen. Dieses politische Geschick österreichischer Herrscher vor 900 Jahren kommt uns heute noch zugute. Es zeigt sich nämlich in unseren Tagen ebenso wie ehedem deutlich, dass Beständigkeit keineswegs einen Gegensatz zu weiß Gott für Freiheiten bedeutet und dass der Heiligenkreuzer oder Lilienfelder Horizont keineswegs enger ist als jener all der viel Herumgekommenen. Weitblick ist eine Frage der Fähigkeit zum Sehen – und da ist die Frage nicht nur die, was gesehen wird, sondern – und dies wohl vor allem – wie etwas gesehen wird.
Genau darum geht es im Wirken von Karen De Pastel – und deshalb war unbedingt der Rekurs zu machen auf die geistigen Fundamente ihres Wirkungsorts Lilienfeld.
Sie ist weiß Gott «herumgekommen» – und dies höchst und kontinuierlich erfolgreich. Letztendlich zählt aber das erreichte Ziel doch am meisten, für welches sie einen Ausdauer fordernden Weg von ihrem Ausgangspunkt hin zum Ort ihrer Beständigkeit zurücklegte, einen Weg von den USA nach Österreich. Dieser umschreibt ihre Identität, mit jeweils unterscheidbarer Möglichkeit der Horizontbildung, wobei etwa USA – Österreich mitnichten als «Verengung» ihres menschlichen und künstlerischen Weit- und Überblicks begriffen werden darf. Solch eine Verengung ist bei einem musikalisch so vielseitigen Menschen wie Karen De Pastel ohnehin nur unter Aufbietung unnötiger Kräfte vorstellbar. Sie ist Dirigentin, Pianistin und Geigerin, hat mit der Violine und dem Klavier solistische Aufgaben bewältigt und die nicht minder herausfordernde Verantwortung als Konzertmeisterin in Orchestern getragen. Sie stellt als Pädagogin ihre Erfahrung und ihr Können den jüngeren Generationen zur Verfügung. Sie ist phantasievolle Komponistin und bekennt sich als solche zu Niederösterreich als Mitglied der «Interessengemeinschaft Niederösterreichischer KomponistInnen».
Letztendlich ist da die Orgel ihr Hauptinstrument – und wiederum ist Niederösterreich der «feste Ort», der nach Beständigkeit verlangt: in St. Othmar zu Mödling, an der Musikschule und dem Dom zu St. Pölten sowie dann an «ihrer» Orgel in der Stiftskirche zu Lilienfeld. Sie ist seit 1975 hier tätig. Und da fiel es ihr gleich im folgenden Jahr zu, für die Landesausstellung «1000 Jahre Babenberger» hinsichtlich der Musik eine wichtige Rolle zu übernehmen. Danach hat sie noch viel übernommen – ohne sich dabei selbst zu übernehmen: z.B. Gründung und Leitung der Sommerakademie Lilienfeld mit Meisterkursen für Musik.
Sie lehrt zudem prominent am Institut für Tasteninstrumente (Podium/Konzert)der Musikuniversität in Wien. Das beweist ihren Anspruch und ihre Fähigkeiten. Aber ist ihre Bedeutung an der Basis nicht noch wesentlicher, weil voraussetzend für die Weiterbildung an einer prominenten Universität? De Pastel hat in ihrer Umgebung einen neuen Lebensraum geschaffen für die Orgel und jene Musik, welche darauf erklingen kann. Sie hat Interesse geweckt und hält es wach. Dadurch ist Raum geschaffen für die «Königin der Instrumente». De Pastels «stabilitas loci» hat der Orgel hier eine ebensolche «stabilitas» geschaffen.