Karl Flanner

Erwachsenenbildung

Experte der Arbeiterbewegung

Im Leben und Wirken von Prof. Karl Flanner widerspiegelt sich in zum Teil beklemmender und eindrucksvoller Weise Zeitgeschichte. Gleichzeitig ist Prof. Flanner ein Beispiel für die Emanzipation eines Autodidakten, der aus seiner gesinnungsmäßigen und beruflichen Solidarität mit der Arbeiterbewegung durch intensive Forschung und Akribie zu deren anerkannten Chronisten vor allem im engeren Lebensbereich aufgestiegen ist. Geboren am 22. Oktober 1920, wenige Wochen nach Beschluss der neuen österreichischen Bundesverfassung im Parlament, erlebte der Hauptschüler und schließlich Gärtnerlehrling hautnah den Niedergang der 1. Republik, die Etablierung des Ständestaates, den Verlust der Selbständigkeit Osterreichs durch die Nazideutsche Okkupation und schließlich die Nachkriegszeit. Für seinen Patriotismus musste Karl Flanner zwischen 1939 und 1945 durch Haft in verschiedenen Kerkern und Konzentrationslagern büßen, darunter auch in Dachau und Buchenwald. Idealismus und Aktivismus für die Wiedererrichtung Österreichs führten dazu, dass Karl Flanner vorübergehend, nur aus der Zeit verständlich, sich der KPÖ anschloss. Die Ereignisse des Jahres 1968 führten schließlich zum Bruch mit dieser Ideologie und zum völlig eigenständigen Weg, vor allem auch in seiner schriftstellerischen Tätigkeit als Aufarbeiter der jüngeren Geschichte Wiener Neustadts und seiner Umgebung. Der Bogen seiner Forschungen erstreckt sich vom Revolutionsjahr 1848 über die Anfänge der österreichischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, mit vielen Regional- und Lokalbezügen, die Sozialistenprozesse vor 120 Jahren, die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Beiträge bis zur Zeit der Verfolgung, Einkerkerung und Abschaffung der Sozialdemokratie. Mit viel Engagement und Einfühlungsvermögen widmete sich Flanner dem Einsatz der Arbeiter für die Befreiung und Wiedererrichtung der Demokratie.
Karl Flanner hat in langjähriger intensiver Forschung nicht nur eine Vielzahl in der Fachwelt anerkannter Publikationen verfasst, die ihn zu einem Experten der Geschichte der Arbeiterbewegung im weitesten Sinn werden ließen, er hat sich darüber hinaus in Zeitungen und Zeitschriften immer wieder mit einschlägigen Themen befasst und sich auf diese Weise wesentlich volksbildnerisch betätigt. Darüber hinaus baute Karl Flanner in Wiener Neustadt eine Zweigstelle des Vereines für Geschichte der Arbeiterbewegung auf und rundete mit einer umfassenden Materialsammlung sowie mit Ausstellungstätigkeiten seine Kenntnisse und Darstellungen ab. Zurzeit ist Karl Flanner mit dem Aufbau eines Museums und Archivs für Arbeit und Industrie im Viertel unter dem Wienerwald in Wiener Neustadt beschäftigt, in dessen Rahmen er ein Studien- und Forschungszentrum mit wissenschaftlicher Bibliothek mit Foto- und Belegarchiv einrichten will. Karl Flanners Tätigkeit wurde vor allem von Univ.-Prof. Dr. Karl R. Stadler, dem Leiter des Luwig Boltzmann-Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung geschätzt, in dessen ,,Materialien zur Arbeiterbewegung“ er zahlreiche seiner Arbeiten publizieren konnte. Anerkannt und ausgezeichnet wurde Karl Flanner für seine wissenschaftlichen Leistungen durch die Verleihung des Berufstitels ,,Professor“ durch den Bundespräsidenten 1982 und durch die Zuerkennung des Victor-Adler-Staatspreises durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung 1986. Mit dem Franz-Stangler-Würdigungspreis wird vor allem das verdienstvolle volksbildnerische Wirken Karl Flanners, der zuletzt im Archiv und Museum der Stadt Wiener Neustadt beruflich tätig war, anerkannt. Prof. Karl Flanner ist aus der Regionalforschung zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Niederösterreich nicht wegzudenken und hat wesentlich zur Erhellung vieler örtlicher Aspekte und landesweiter zusammenhänge beigetragen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1990