Differenzierte, unvorhersehbare Musik
Karlheinz Essl wurde am 1. August 1960 in Wien geboren und machte zunächst eine Ausbildung zum Chemie-Ingenieur, bevor er sich hauptberuflich der Musik zuwandte. Er studierte an der Musikuniversität Wien Kontrabass bei Heinrich Schneikart, Tonsatz bei Alfred Uhl, Elektroakustische Musik bei Dieter Kaufmann sowie Komposition bei Friedrich Cerha und erhielt 1987 sein Diplom mit Auszeichnung. Daneben absolvierte er ein Musikwissenschaft-Studium, das er mit einer Dissertation über «Das Synthese-Denken bei Anton Webern» abschloss.
Essl war zunächst als Kontrabassist in mehreren Kammermusik- und experimentellen Jazzensembles tätig, befasste sich aber auch mit mittelalterlicher Musik und Fragen der Aufführungspraxis.
Eine theoretische und praktische Aufarbeitung serieller Denkansätze führte ihn gemeinsam mit G. Eckel in Paris zur Entwicklung von verschiedenen Software-Environments für computergestützte Komposition. 1988/89 arbeitete er in den Niederlanden am Kompositionsprogramm Projekt 3 unter der Leitung von Michäl Koenig. Von 1990–1994 war Essl «Composer in Residence» bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1992/93 führte er das Performanceprojekt Partikel-Bewegungen mit Harald Nägeli in verschiedenen europäischen Großstädten durch. In Paris setzte er einen Kompositionsauftrag des IRCAM um (Entsagung) und entwickelte eine Software-Bibliothek für algorithmische Komposition. Seit 1994 lehrt Essl am Linzer Bruckner-Konservatorium im Studio für Advanced Music & Media Technology.
Außerdem ist Essl Musikintendant des Schömerhauses in Klosterneuburg, wo er Konzertreihen mit neuer und improvisierter Musik betreut. Im Juli 2004 wirkte Essl beim Symposium «Im Zwischenreich Musik & Trance» im Zentrum für zeitgenössische Musik an der Donau-Universität Krems mit einer Musikperformance zum Aspekt «Musik & Trance» mit.
Seine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Kunstsparten, Radiokunst und Musikinstallationen stehen für seine Vielseitigkeit. Er verfasste Musik zu intermedialen Projekten, darunter für New York, London sowie für die Sammlung Essl in Klosterneuburg und den Klangturm St. Pölten 1998 (Lexikon-Projekt). In der interaktiven Real-Time-Komposition «Lexikon-Sonate» spielt ein computergesteuertes Klavier eine differenzierte, aber unvorhersehbare Klaviermusik ohne Ende.
Sein Œevre umfasst Orchesterwerke (z. B. met him pike trousers 1987, Intervention 1995), weiters Kammermusik (z. B. elision 1997 für Horn, Bassklarinette, Kontrabass und Percussion, absence für Violine Solo 1996), dann Kompositionen mit Live-Elektronik, Realtime-Kompositionen, Improvisationskonzepte, Klanginstallationen, «site»-spezifische Musik- und Raum-Performances sowie InternetProjekte. Essl tritt als Live-Performer mit seinem selbst entwickelten computerbasierten Meta-Instrument ma@ze°2 (Modular Algorithmic Zound Environment) im Bereich von New Electronic Music und freier Improvisation auf. Er gestaltet Web-Art Projekte im Internet (Lexikon-Oracle, MindShipMind, Interferences).
Essl erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge für österreichische und internationale Institutionen, Festivals und Ensembles, darunter 2002 für das Niederösterreichische Landesmuseum «Sieben Tore ins Land», zahlreiche Werke 2002/03 für «musik aktuell» und 2003/04 für das Donaufestival Niederösterreich «Seelewaschen».
Essl ist Mitglied der interdisziplinären Künstlergruppe «Libraries of the Mind». Er betätigt sich auch als Musikschriftsteller und veröffentlicht theoretische Untersuchungen zur formalen Beschreibung kompositorischer Prozesse und befasst sich mit Kybernetik und Systemtheorie.
Karlheinz Essl lebt in Klosterneuburg.