Katarina Matiasek

Bildende Kunst
Image

Der panoramatische Blick

Katarina Matiasek fragt in ihren Fotografien und Videos nach dem Verhältnis vom Bild zur Wirklichkeit. Sie untersucht die strukturellen Zusammenhänge von auf Wahrnehmung basierenden Bildern und kognitiven Programmen, die zur Konstruktion unserer Wirklichkeiten führen. Der panoramatische Blick bildet in Matiaseks Werk einen zentralen blickgeschichtlichen Bezugspunkt. Jene Wirkung des panoramatischen, eines seit der Neuzeit kulturell eingeübten, allumfassenden Blicks auf die Welt spiegelte schließlich im 19. Jahrhundert ein Gefühl der Weltbeherrschung und des Machbarkeitsdenkens wider. Matiaseks Befragungen der panoramatischen Blickregie setzen nicht allein ästhetisch, sondern auch stets macht theoretisch an. Nicht der Bildgegenstand, sondern der Sehvorgang, seine spezifischen soziopolitischen Implikationen und Bedingtheiten werden zum Thema. Der Begriff der Wirklichkeit findet bei Matiasek oftmals eine Überprüfung am Modell des Natürlichen. In der Fotoarbeit «Habitat» appliziert die Künstlerin zum Beispiel den Layoutraster eines Manga-Comics gleich einer Maske auf ein Landschaftspanorama. Der Raster fächert das Bild der Totale und des Überblicks in eine Vielzahl von Subbildern und Einstellungen. Die dadurch evozierte Lesart als narrative Bildfolge zwischenbildlicher Verweiszusammenhänge basiert auf einer Seh-Lese-Konvention, die das Landschaftsbild sukzessive überformt und umsemantisiert. Mit der Verschiebung des auktorialen Blickpunkts thematisiert Matiasek hiebei den im Verborgenen liegenden blinden Fleck des Dispositivs. Ob durch die zeitliche Fixierung/Arretierung des fotografischen Augenblicks oder durch die Festlegung des jeweiligen Bildausschnitts –stets wird das Wirkliche als Konstruiertes lesbar. Matiasek schafft auf diese Weise ein rekursives, selbstbezügliches visuelles Dispositiv, das Wahrnehmung nicht bloß als kognitiv, sondern stets auch als soziokulturell und geschichtlich fundierten Prozess beobachtbar und reflektierbar macht.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2010