Fundgruben
In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts setzte ein reges Interesse an der Geologie und Urgeschichte unserer Heimat ein. Namhafte Wissenschaftler erforschten den Eggenburger Raum, der in dieser Beziehung als besonders ergiebig galt. Sie wurden durch den Eggenburger Büchsenmachersohn Johann Krahuletz unterstützt, der bald selbst zum Sammler wurde und mit der Zeit eine enorme Zahl von Fundstücken zusammenbrachte.
Um ihren Ankauf ins Ausland zu verhindern und zu ihrer würdigen Unterbringung und Präsentation konstituierte sich 1899 die noch heute bestehende Krahuletz-Gesellschaft. Krahuletz überließ gegen eine bescheidene Rente seine Sammlungen der Stadtgemeinde Eggenburg, und am 12. Oktober 1902 konnte nach nur einjähriger Bauzeit an der Ecke Bahnstraße-Wasserburgerring das stattliche Museum seiner Bestimmung übergeben werden. Schwerpunkt und Kern waren die geologisch-paläontologische sowie die prähistorische Abteilung im 1. Stock des Gebäudes; dazu kamen ein Lapidarium im Erdgeschoß, volkskundliche Sammlungen und die Gemeindebücherei im Hochparterre und das Gemeindearchiv im 2. Stock.
Ein 1. Höhepunkt war der Besuch des neuerbauten Museums durch den Kaiser am 28. Juni 1904. Der stimmungsvoll illustrierte und sorgfältigste ausgeführte Führer, der um diese Zeit erschien, nimmt auf dieses Ereignis Bezug, wenn er schreibt, dass Franz Joseph ,,in eingehendster Weise die Sammlungen besichtigte und über das Gesehene wiederholt in schmeichelhaftesten Worten die allerhöchste Anerkennung zum Ausdrucke brachte.“ In der Folgezeit verlagerten sich die Schwerpunkte: Ludwig Brunner arbeitete an seiner Stadtgeschichte, und mit Johann Krahuletz starb die Seele des Ganzen (1928). Einer bescheidenen Auffrischung durch Wandmalereien Ende der Fünfzigerjahre folgte die österreichweit zu beobachtende Museumsflaute der Sechziger- und Siebzigerjahre.
Erst das in den letzten Jahren neuerwachte Interesse an der Kultur und Geschichte unserer Umwelt entriss auch das Krahuletzmuseum seinem Dornröschenschlaf. Zunächst bekam es in der Person des jungen Paläontologen Dr. Franz Stürmer einen kompetenten und – nomen est omen – dynamischen wissenschaftlichen Leiter. Damit wurde die Phase des Verwaltens und Erhaltens überwunden, eine neue, produktive Aera des Forschens und Erschließens hat begonnen.
Parallel dazu begann die Krahuletz-Gesellschaft die Erkenntnisse moderner Museumspädagogik zu nützen und intensiv in der Öffentlichkeit für ihr Museum zu werben. Das geschah durch Informationsabende, Diavorträge, Grabungsberichte, Prospekte, Presseaussendungen und nicht zuletzt durch die zügig vorangetriebene Gesamtrenovierung des Museums, die zurzeit kurz vor dem Abschluss steht. Es ist also nicht übertrieben, zu sagen, dass in diesen Tagen das Eggenburger Krahuletzmuseum eine Wiedergeburt erlebt, zu einem neuen Selbstverständnis gefunden hat und für die Zukunft Großartiges erwarten lässt. Der Förderpreis, den es nun in Anerkennung seiner Leistungen erhalten hat, kommt zum genau richtigen Zeitpunkt, denn gerade heuer ist das Angebot an Sonderausstellungen und neuen Dauerausstellungen besonders beeindruckend:
So birgt das Lapidarium die Sonderausstellung „Waldviertel Kristallviertel“, eine Dokumentation, wie sie in dieser Geschlossenheit und Reichhaltigkeit noch nie zu sehen war und leider nur noch kurze Zeit zu sehen sein wird. 2100 Exponate aus 197 Fundstätten zeigen den mineralogischen Reichtum der Böhmischen Masse und erschließen ein völlig unbekanntes Bild des als einförmig und düster verschrieenen Waldviertels. Als visuelle Höhepunkte seien wenigstens der Amethystgang aus Maissau, die einzigartig zarten Moosopale aus Waldkirchen, die prachtvollen Quarze und Bergkristalle aus dem Oberen Kremstal sowie die Proben geschliffener und gefaßter Steine erwähnt. Unverständlich, dass diese reichen Schätze der Natur nicht längst eine florierende Schmuckindustrie hervorgerufen haben.
Nur noch bis Anfang November werden auch die beiden folgenden Sonderausstellungen zu sehen sein:
Arnulf Neuwirth, der seit zwei Jahren in Eggenburg lebt, hat sich durch die Eggenburger Stadtmauer zu einer Serie von 21 Bildern in gewohnter Aquarell-Collagetechnik inspirieren lassen. Sie ist inzwischen auch in Buchform erschienen und ziert gemeinsam mit den anderen kleinen Kunstwerken aus dem Radschin-Verlag in Kautzen eine Vitrine in der Mitte des Ausstellungsraumes.
Anläßlich der Verlegung der Erdgas-Rohrleitung zwischen Groß Siegharts und Laa/Thaya in den Jahren 1986 und 1987 konnten 24 Fundstellen ergraben und dokumentiert werden. Ein repräsentativer Querschnitt ist im 2. Stock zu sehen. In einem eigens dafür geschaffenen Saal werden ,,Antike Uhren“ gezeigt. Der Grundgedanke, die Entwicklung der Uhr anhand funktionsfähiger Exponate zu dokumentieren, ist gut; leider sind die vielfach notwendig gewordenen Ergänzungen sehr alter Stücke dilettantisch ausgefallen und entsprechen in keiner Weise dem sonstigen hohen Niveau des Museums. Ein Glücksfall war der Ankauf des Geländes der ehemaligen Wasserburg Sachsendorf: bei den Ausgrabungen 1987 und 1988 wurden die romanische Burgkapelle, der nördliche Wehrturm und ein Friedhof freigelegt. 1989 kam noch der Palas des 15. Jhts. dazu. Eine Dokumentation über die äußerst sehenswerte kleine Burganlage ist auf der Grabung aufgestellt; die überraschend reichhaltigen und z. T. sehr wertvollen Funde haben inzwischen im Foyer des ehemaligen Stadtkinos Eggenburg gegenüber dem Krahuletzmuseum eine passende und gediegene Aufstellung erlebt. Ein Prunkstück ist der spätromanische Grabstein mit Hügelkreuz, zwei Wappen und einer zweizeiligen Inschrift, der im Schutt des Kapellenbodens gefunden wurde. Sehr berührend ist das Ergebnis der Paläopathologie, berührend und erschütternd, sieht man den von mehreren Löchern durchbohrten Schädel eines Krebskranken aus dem Mittelalter.
Die Sorge um die Umwelt hat zu einem neuen Interesse an ihrer Vergangenheit geführt. Hier hat unsere engere Heimat Fundstätten aufzuweisen, die eine UNIVERSUM-Dokumentation rechtfertigen würden: allein der ,,Seekuh-Friedhof“ in der Gemeindesandgrube von Kuenring ist eine Sensation für sich. In nächster Zeit sollen weitere Exemplare des Metaxytherium Krahuletzi geborgen werden. „Letzi“, der Vorfahre unserer heutigen Seekühe, soll als Maskottchen vor allem die kleinen Besucher unseres Museums begeistern.
Die Krahuletz-Gesellschaft und ihr wissenschaftlicher Leiter haben in kurzer Zeit Unglaubliches geleistet; an den Dank dafür schließt sich die Bitte, uns noch recht viele Fundstätten zugänglich zu machen.