Keine Angst vor «Quotengift» – der Kulturhof Amstetten und sein ungewöhnliches Programm
«Wer Visionen hat, braucht einen Arzt», meinte angeblich einst Helmut Schmidt. Es ist wohl eher umgekehrt: Wenn man für die Planung eines Kulturvereins ein wenig durchgeknallt ist, kann das kein Nachteil sein. In Amstetten hat man sich an dieses Motto gehalten und mit einer gehörigen Portion Unerschrockenheit eine Kulturinitiative gegründet, die einzigartig war im Land und vermutlich darüber hinaus. Das war im Jahr 1992.
Die Idee: eine Plattform für Gedankenaustausch zu verschiedenen gesellschaftlich relevanten Themen gründen; eine Vereinigung, die sich einem emanzipatorischen Politik-, Geschichts- und Kulturverständnis verpflichtet fühlt und den Zusammenhang zwischen Kultur und Politik nicht unterschlägt. Man wollte ein Publikum gewinnen, das Interesse am Diskurs und am intellektuellen Austausch hat und Freude an hochwertigen Inputs.
Bis heute wird folgerichtig ein Veranstaltungsmix umgesetzt, der weit weg von den üblichen Aktivitäten von Kulturinitiativen ist. Den Großteil des Programms bilden Angebote mit Wortanteil: Lesungen und Vorträge, hochwertig, ohne Angst vor großen Namen und thematisch immer am Puls der Zeit. Abgerundet werden diese Aktivitäten durch die «philosophischen Cafés», freie Diskussionsabende zu vorgegebenen Themen, und Konzerte. Man bewegt sich also weitgehend in einem Bereich, der gemeinhin als Quotengift gilt.
Geradezu märchenhaft mutet es daher an, dass dieses so ungewöhnliche Konzept seit zwanzig Jahren funktioniert. Allein die Tatsache, dass in Amstetten mehr als sechzig Leute über Kontingenz diskutierten, erzählt eine wunderbar romantische Geschichte über den Kulturhof und seine hohe Akzeptanz bei den Menschen.
Der Zugang zur eigenen Arbeit ist in all den Jahren angenehm entspannt geblieben. Gründungsmitglied Fritz Rafetseder: «Wir sehen die Wirkung unserer Aktivitäten auf das Geschehen zwar als sehr begrenzt, aber andererseits haben wir eine gefühlte wichtige Funktion als gesellschaftlicher Sauerteig.» Na bitte.