Leo Zogmayer

Bildende Kunst

Gegenständliche Abstraktionen

Leo Zogmayer, geboren 1949 in Krems, studierte nach seiner Tätigkeit als Kunsterzieher an Schulen auf der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (Meisterklasse Herbert Tasquil). Im Laute der frühen 80er Jahre löst sich Zogmayer von seinen in mehrerlei Hinsicht eher konventionellen Landschaftszeichnungen. Die feinen Striche ballen sich nun zu Zentren auf dem weißen Papier. Räumliche Tiefe und die Plausibilität naturalistischer Darstellungen werden nun mehr und mehr innerbildlichen Lösungen, der Flächenrichtigkeit untergeordnet. Durch den Zusammenschluß der dunklen Strichzentren wird die weiße Fläche als Spannungsfeld mitthematisiert. Gerade unter dem Blickwinkel von Zogmayers weiterem Werk läßt sich in den Zeichnungen dieser Umbruchszeit Vexierbildhaftes erkennen, oder doch mindestens erahnen. Einerseits ist z. B. das eine Weinlandschaft bewachsende Buschwerk noch Naturdarstellung, andererseits ist die dunkle Kreuzform aus Buschwerk durch die extremen Hell-Dunkel-Kontraste schon als monumentale drohende Einzelform herauszulesen.In den Jahren 1982/83 dann bricht Zogmayer mit der Landschaftzeichnung. In wildem, kräftigem Duktus werden in Tusche, mit Feder und jetzt auch Pinsel, agierende Monstren, Fabelwesen, Vanitassymbole auf das Papier gesetzt. Ein Kopfloser trägt seinen Schädel; eine dunkle, parabelförmige Masse aus schwarzer Tusche schiebt einen rollstuhlfahrenden Künstler auf die Leinwand zu. „Wir Hacker“ von 1983 ist ein gutes Beispiel für diese Phase. Eine mächtige, drohende schwarze Welle stürzt reißend von rechts in das Bildformat. In den Wellenbergen ist, auch das ist neu, vornehmlich durch Aussparung schwarzer Farbe eine Figur einbeschrieben, die auf Höhe des Wellenkamms zwei Äxte schwingt (oder nur EINE in sequenzartiger Darstellung zur Erhöhung des Geschwindigkeitseffektes), mit denen sie auf die Stellen schwarzer Farbe loshackt, aus denen sie selber geriet. Bezeichnend ist die fast karikaturhafte Deutlichkeit des Sujets und der Aussage, eindringlich nochmals unterstrichen durch den Bildtitel Wir Hacker“. Brutalität eines Fortschritts ohne Besinnung, die sich auch gegen die Fortschreitenden selber richtet. Wir alle sollen uns dabei angesprochen fühlen, inkompromitiert werden. Das überspitzte, karikative und sicher auch belehrende Element findet im Medium der Tuschzeichnung noch genügend Ausdrucksmöglichkeiten. In ,,Der Maler“ von 1982 entsteht zwischen einem massigen, mit düsteren Pinselstrichen modellierten, schrägstehenden Körper (mehr Abstraktum als Körper), dem kleinen häßlichen verderbten Kopf, welcher aus kleinen ausgezogenen amorphen Klecksen Auge und Profil gewinnt, und der sich dazu als Pendant verhaltenden Leinwand durch wenige Striche angedeutet, eine beachtenswerte Balance. Und doch laufen Arbeiten wie diese Gefahr, die so gewonnene brillierende quasi ,,heitere Häßlichkeit“ als Manie um ihrer selbst willen zu perpetuieren. Doch an dieser Stelle setzt nicht Regression, sondern Weiterentwicklung ein. Die malerische Zeichnung wird zur Mitte der 80er Jahre hin zur Malerei, bleibt dabei aber meistens graphisch motiviert. Vor fast homogenen Flächen oder aber ,,hochgeklappten“ Horizonten, zuweilen mit Acrylfarbe auf dem weißen, bloßen Papier, entstehen eindringliche gestisch gemalte Figuren, Tiermenschen, mythische Gestalten, rituelle Zeichen, die sich nun nicht mehr primär in Ideenskizzen von prägnanter Originalität, sondern in malerischer und kompositorischer Kraft vermitteln. Die Errungenschaften aus Zogmayers Umbruchszeit also die Emanzipation von symmetrischen oder zeichenhaften oder auch als Organisches erkennbaren Strichfeldern aus dem Darstellungszusammenhang geht jetzt eine Symbiose ein mit der im weiteren Werkverlauf erarbeiteten Thematik und Darstellungsweise. Ein wichtiges Beispiel dafür wäre ,,Der rote Winter“ von 1984. Vor den weißen, grauen, schwarzen und roten horizontalen Farbbahnen (die abstrakt und gegenständlich lesbar sind) befinden sich zwei menschliche Gestalten mit Tierköpfen, davor zwei weiße Hunde (vom gleichen Weiß wie der Vordergrund, während die Figuren schwarz wie die als Stadt deutbare Silhouette sind!). Durch die symmetrische Spiegelung der Tiere aneinander wird einerseits die naturalistische Darstellung zugunsten einer Betonung des farbkompositionellen Ausgleichs zurückgenommen, andererseits faßt die Spiegelung die zwei Hunde zu einer archetypisch anmutenden Konstellation zusammen, in deren amorpher Gesamtform durch die zwei Köpfe (jetzt als Augen lesbar) etwas Physiognomierendes zum Ausdruck kommt. In Art einer wahrnehmungsmäßigen Analogie drängt diese Verschweißung von Farbe, Form und Aussage nicht nur zur Transponierung auf das Menschenpaar, sondern ich kann auch vertikal zuordnen: ,,Mensch zu Tier“ plus ,,Mensch zu Tier“. Die Betonung der ,,ursprünglichen gemeinschaftlichen Grundlage von Mensch und Tier“ (W. Kotte) ist in ihren Implikationen nicht nur dargestellt, sondern sie wird mit innerbildlichen Mitteln erst entwickelt. (Die lsoliertheit des einzelnen Menschen im Gegensatz zu der Gemeinschaft der Tiere, die Zuordnung des Menschen zur Stadt, der Tiere zur Erde ist farblich und formal erarbeitet.) In „Tische“ (1984) sind zwei massive Tische in Seitenansieht dargestellt. Deutlich ist die den Raum auslotende Figur-Grund-Beziehung. Vor dem rechten Tisch steht eine Gestalt, während die zweite sich links neben den Tischen befindet. Die Ahnung, daß hier eine wichtige Sache verhandelt wird, das gemischte Gefühl von Kraft, Ausstrahlung und Zerbrochenheit, Verlust, resultiert auch hier nicht aus dem verschwenderischen Gebrauch archetypischer Zeichen, oder in diesem Falle einer Symbolik, welche den Tisch“ bedeutungsschwerer als Mensa, Altar ,,daherschwanen“ läßt, sondern die Assoziationen resultieren aus dem, was wirklich gemalt ist nicht aus etwas, was dahinter ist. Während die Tische eine Symmetrie bilden, wird deren Nicht-Bestätigung durch die Gestalten (eine steht ja abseits) als Fehlen, als Spannung erkannt. Gleichzeitig sind die Tische schwer und homogen, also in stabilisierender Flächenkontinuität mit der wirklichen Papierfläche, die Figuren hingegen gestisch gemalt, was ihre Augenblicklichkeit, Versetzbarkeit gegenüber der eher zeitlosen Statik der Tische induziert. Dem Vorwurf einer Flucht in Mythos, der Beschwörung einer Vormoderne mittels eines in postmodernen Zeiten so beliebten Vokabulars an verfügbaren Zeichen des Urtümlichen (das selber schon Extrakt von Klischees ist), entgeht Zog mayer aus folgendem Grund: Dieser Vorwurf verfällt leicht der Ideologie, denn das Verbot der Flucht erlaubt der Kunst nur das Arrangement mit den bestehenden Zuständen (auch wenn dieses Arrangement nicht affirmativ sein muß). Wenn dieses, möglicherweise kritische, Mitwirken der Kunst nun eingeplant ist, so könnte Flucht auch ein Ausweichen auf von der ldeologie noch nicht okkupierte Orte heißen, an denen die Kunst „Luft holen“ kann. Solche Orte sucht Zogmayers Kunst auf, jedoch nicht aus Flucht vor der Realität. Zogmayers Weg an diesen Ort ist der der Grundsätzlichkeit. Die ursprünglichen Themen von Tod, Geburt usw. sind das den vielen besonderen Fällen zugrundeliegende Allgemeine, Präzedens der Menschheitsentwicklung. Zogmayers Gestalten sind unpersönlich, gesichtslos, weil sie Paradigmata verschiedener Situationen und Entwicklungsstufen sind. Paradigmata sind in der Kunst per se Abstraktionen im eigentlichen geistigen Sinne auch wenn sie noch gegenständlichen Ausdruck finden. Hier setzt Zogmayers jüngste Weiterentwicklung (an der verstärkten formalen Abstraktion ablesbar) ein. Die Synthese der 1984/85er Jahre wird wieder Gegenstand malerischer Untersuchung, Analyse. Die relative Komplexität der Bildelemente divergiert in Derivate der Gegenstandsbeschränkung. „Zweiflügler“, „Grab“ (beide 1987), zeigen in dieser Beschränkung große Konzentration, feinnervige Arbeit am Bild. In ihrer extremen Sensibilität erscheint eine Arbeit wie „Schneeboot“ einen Vergleich mit Arbeiten von Wois, Fautrier, aber auch mit den anthropologischen Dimensionen der Werke von Beuys oder Pichler wert. Solches aber bedürfte einer genaueren Untersuchung. Deutlicher noch als in früheren Bildern Zogmayers wird, daß die Inhalte sich im Bild nicht nur vermitteln, sondern in dessen interdependentem Beziehungsgefüge erst entstehen. Zogmayer gehört zu denjenigen, die zeigen, wie Tiefsinn durch Bildsinn statthat.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1987