Lev Detela

Literatur

Neue Heimat: Niederösterreich

. Der Österreicher Lev Detela, ein zweisprachiger Autor, der inzwischen geraume Zeit in Wien lebt und schreibt, wurde am 2. April 1939 in Marburg a. d. Drau (Maribor) in Slowenien geboren, verbrachte aber seine Jugend vor allem in Laibach (Ljubljana). Dort maturierte er 1958 am humanistischen Gymnasium, ebenda begann er mit dem Studium der Slawistik. Im Jahre 1960 verließ er Jugoslawien und setzte sein Studium in Wien fort, widmete sich aber bald ganz der Literatur. Mit seiner Frau Milena Merlak, einer sehr beachtlichen Lyrikerin, und seinen drei Söhnen ließ er sich in Untersiebenbrunn (Niederösterreich) nieder. Nach einigen Jahren übersiedelte er nach Wien. Um ungestört schaffen zu können, zieht er sich neuerdings immer wieder ins Waldviertel zurück, nach Nondorf bei Drosendorf. Lev Detelas Buchveröffentlichungen in slowenischer Sprache: Der Irrgarten. Sieben Erzählungen. Triest 1964; Die Heldentaten des Strohriesen. Lyrische Groteske. Triest 1965; Das Attentat. Prosa und Lyrik. Triest 1966; Erfahrungen mit Gewittern. London 1967; Zuckerbrot und Peitsche. Lyrik. London 1969; Der schwarze Mann. Eine schreckliche Geschichte in Versen. London 1969; Metälement. Gedichte. London 1970; Die Königsstatue. Ein geschichtlicher Roman. London 1970; Legenden von Seiltänzern und Mondsüchtigen. Lyrik. Canberra (Australien) 1973. Madonnenmeister. Klagenfurt 1974 – initiiert durch den russischen Film über Andrej Rublew. In Kärnten erschienen in slowenischer Sprache auch zwei essayistische Sammlungen von Lev Detela in Buchform. In deutscher Sprache: Erfahrungen mit Gewittern. Kurzgeschichten. Aus dem Slowenischen übertragen von Hilde Bergner. Darmstadt: Bläschke 1973 (Übersetzung des Buches aus dem Jahr 1967); Legenden um den Vater. Eisenstadt: Ed. Roetzer 1976; Die Königsstatue. Ein historischer Roman aus der Gegenwart. Wien: Rhombus Verlag 1977. (Überarbeitung des slowenischen Buches aus dem Jahr 1970); lmponiergebärden des Herrschens. Ein psychohygienischer Bericht über den aufschneidenden Schneider, den Möchtegernkaiser. Wien: Rhombus Verlag 1978; Der tausendjährige Krieg. Lesestück. Wien: Verlag der Zeitschrift LOG 1982. Detela ist u. a. in folgenden Anthologien vertreten: Sammlung I. Eine Anthologie der Literaturzeitschrift das pult“. St. Pölten 1971; Ort der Handlung Niederösterreich. Herausgegeben von Senta Ziegler. St. Pölten, Wien: Niederösterreichisches Pressehaus 1981. Lev Detela ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und des Literaturkreises Podium- Schloß Neulengbach. Er ist freier Mitarbeiter österreichischer, deutscher und schweizer Blätter (darunter u. a. Die Presse, Stuttgarter Zeitung, Weltwoche, Die Tat. Zürich, Basler Nachrichten), zahlreicher Literaturzeitschriften, auch des fremdsprachigen Auslandes, der Deutschen Welle, der RAi Italien. Mitherausgeber und Redakteur von ,,LOG. Zeitschrift für internationale Literatur“, früher Redakteur der Zeitschrift „Most“ Triest. Detela betätigt sich aber auch als Vermittler österreichischer Literatur für den slowenischen Sprachraum durch Übersetzungen und Informationen. Aber auch auf wesentliche Erscheinungen der jugoslawischen Literatur macht er unermüdlich aufmerksam. Die lange Aufzählung soll nicht mehr und nicht weniger als veranschaulichen, daß Detela bereits auf ein ziemlich umfangreiches Euvre zurückblicken kann. An und für sich ist das keine außergewöhnliche Feststellung, aber wenn man bedenkt, daß Detela vor allem ein experimenteller Autor ist, wird diese Tatsache doch erstaunlich. überdies insistiert Detela auf den Nachtseiten des Lebens, Greuel, Elend, Zerstörung stehen im Zentrum seiner Überlegungen, Machthunger und Autorität hinterlassen allenthalben furchtbare Spuren. Der Vater, ,,eine böse Wolke, die in mein Leben hineinplatzte“, wird zum Symbol der Willkür und Unberechenbarkeit. Daneben gibt es natürlich auch den mit schwarzem Humor und Skurrilität „erheiternden“ Detela, der also „zwischen Lächerlichkeit und Fürchterlichkeit“ pendelt, wie es Klaus Sandler formulierte. überdies weist Sandler hin, daß ,,Kottendorf“ in Detelas ,,Legenden um den Vater“ ,,gut als niederösterreichische Durchschnittskleinstadt“ zu identifizieren sei. Stilistisch und kompositorisch können wir auf den ersten Blick einige Konstanten im Werk Detelas feststellen, die Verunsicherung am Wahrgenommenen zum Beispiel, denn von jedem Blickwinkel zeigt sich die Wirklichkeit anders. Die Änderung der Lautgestalt von Namen, etwa in den ,,lmponiergebärden“, werden zu einer Irritation, weil auch andere Veränderungen stattfinden, idente Ereignisse werden verschiedenen Jahren zugeordnet. Das Prinzip, es möge sich nichts verfestigen, klar, d. h. eindeutig werden, ist immer wieder in Detelas Texten zu beobachten. Die ständige Deformation des Geschehenen oder Möglichen wird zur Möglichkeit, Bekanntes neu, zumindest anders, zu sehen. In seine Sprache fließen u. a. feststehende Fügungen, sprachliche Formeln, die der Alltagssprache entstammen, Sprach- und Denkgewohnheiten ein. In dieser neuen Umgebung wirken sie plötzlich überraschend. Die Neigung des Autors, Alliterationen mit Hintersinn einzusetzen, Reimwörter bewußt aneinanderzureihen, zu variieren, Zitate zu verändern, raffiniert zu wiederholen, das vorher Behauptete zu entkräften, zu verneinen oder anders zu deuten, ist auffallend. Wir bewegen uns in einer finsteren, fingierten, trotzdem realen Welt, das ist es, das einen beim Lesen von Detelas Büchern beunruhigt. Durch den massiven Einsatz von Reizwörtern des Grauens, es genügen Kürzel, wird eine apokalyptische Stimmung heraufbeschworen, die sich selbst auf den Durchschnittsleser ohne Verluste überträgt. Um aber nicht nur abstrahierend von den Werken Lev Detelas zu sprechen, soll abschließend der Aufbau seiner „Imponiergebärden des Herrschens“ gestreift werden. Die Gestalt des Königs (vermutlich eines Narren) wird dem Leser aus acht verschiedenen Perspektiven gezeigt, die nicht viel gemeinsam haben außer einigen Erkennungssätzen, Wörtern, die den Zusammenhang signalisieren, aber eine andere Bedeutung erfahren, zum Beispiel ein Inferno wird in einer anderen Perspektive zu einem festlichen Feuerwerk. Am ausführlichsten ist die Selbstdarstellung. Die Berichte des Psychologen, Historikers, Polizisten, der Ehefrau büßen immer mehr an Umfang ein. Das sechste Kapitel wird als ,,Reale Ebene“, das siebente als „Die Legende“, das achte als ,,Sprachkapitel“ bezeichnet, das mit dem Sprachzerfall ausklingt. Es steht jedenfalls dafür, daß man sich mit den Werken Detelas verstärkt auseinandersetzt, auch, wenn sie dem Leser viel Einfühlungsvermögen abverlangen und auch einiges Wissen um die neue Literatur.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1982