Lisl Ponger

Bildende Kunst
Image

Konzepte – Strukturen – Wandlungen

Forschungsreisende durch Kontinente, Ethnien, Museen Lisl Ponger wird aufgrund der Medien, die sie seit den 70er-Jahren bevorzugt verwendet, gerne unter die Fotografinnen und Filmerinnen eingereiht. Sie sollte jedoch als Konzeptkünstlerin bezeichnet werden, gleichzeitig als Analytikerin an der Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Leben. Um die Ideen ihrer gedanklichen und tatsächlichen Reisen umzusetzen, greift sie zu Fotografie und Film, ist dabei aber auch Sammlerin und Inszenatorin von Räumen. In ihrem auf diversen Flohmärkten zusammengetragenen Fundus finden sich Andenkenstücke und sogar Filme, die neu aufbereitet werden, Bilder alter und moderner MeisterInnen, dazu Stoffe, Schuhe, Vorhänge und Möbel – oft im Imperial- oder Orientlook. Alle diese Objekte werden herangezogen, um Identitätsbefragungen durchzuführen. In einer Serie neuer Selbstbildnisse stellt sich Lisl Ponger als «Xenographin» dar, die sich selbst in dieses Found Footage-Material kleidet und mit Tourismuskitsch-Idolen umgibt, die plötzlich gleichgestellt sind mit den «echten» Idolen, Masken und magischen Gegenständen des theatralischen Ortes Museum. Diese Arbeit ist enorm politisch, sie ist rassismus- und kolonialismuskritisch, skeptisch gegenüber den meisten Regierungen dieser Welt – auch der österreichischen. Der Großteil von Pongers inszenatorischen Arbeiten entsteht an Orten in Niederösterreich. Der Ort des Dialogs und der Wahlverwandtschaften (frei nach William Rubin) spielt dabei eine ebenso große Rolle wie der Hinweis auf das europäische Vorherrschaftsgefühl und die jahrhundertelange Sammelwut, die rituelles Gut zu ästhetischen Artefakten und Quellen exotischer Ausstrahlung wandelt. Ihr Werk ist aber auch eine Art von «Nachlese»; Lisl Ponger schlüpft als neuer «Orlando» in die Rollen von Michel Leiris, Edward Hopper, Man Ray, Emil Nolde und Paul Gauguin. Die Ereignisse des G 8-Gipfels in Genua dokumentierte sie danach, als die Demonstranten die Stadt verlassen hatten, anhand der Spuren auf Kanaldeckeln und Gebäuden. Diese fotografisch festgehaltenen Erinnerungen waren auf der Documenta XI zu sehen. Seit kurzem stellt Lisl Ponger nicht mehr nur ihre Fotos oder Filme samt Artefakten aus, sondern sie hält auch Vorträge mit Diashows, für die sie vorerst Aushangmaterial von Kinos früherer Jahrzehnte benützt: so Willy Birgel als Maharadscha und weitere verfälschende Exotik-Blicke der europäischen und amerikanischen Filmindustrie auf andere Kontinente. Was als fotografische Dokumentation der Aktionisten in den 70er-Jahren sozusagen beiläufig begann, soll nun in allen Einzelheiten methodisch adaptiert werden. Auch die Fotoserie «Fremdes Wien» wird von der Künstlerin bereits filmisch überarbeitet und im Blickwinkel aktualisiert: als «Phantom fremdes Wien» wird es der programmatische Einstieg von Wolfgang Kos als Ausstellungsmacher und Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien 2004.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2003