Lois und Dr.Franziska Weinberger

Bildende Kunst
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Berührung von Kultur und Natur

Lois Weinberger, geboren 1947 in Stams, entwickelte seit den 1970er-Jahren seinen spezifischen, auch durch die Jugendjahre auf dem elterlichen Bauernhof in Tirol geprägten Naturbegriff. Ethnopoetische Arbeiten wie Weinbergers «fragmentarische Bestandsaufnahme» seines Geburtsorts Stams bildeten die Basis für seine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Natur- und Zivilisationsraum. 1997 nahm Lois Weinberger mit einem weltweit beachteten Beitrag an der documenta X in Kassel teil. Im Jahr 2009 vertraten Franziska und Lois Weinberger Österreich auf der Biennale von Venedig. Franziska Weinberger, geboren 1953 in Innsbruck, studierte Kunstgeschichte und arbeitete als Galeristin, Kunstvermittlerin und Künstlerin. Die seit 2003 auch öffentlich deklarierte Arbeitsgemeinschaft des Künstlerpaars für Projekte im öffentlichen Raum bezeichnen sie als einen «dialogischen Austausch in verschiedenen Fachgebieten von der Philosophie bis zur Ethnologie». Ihre Arbeiten sind am Schnittpunkt zwischen rural und urban angesiedelt und setzen sich mit der Natur in spezieller Weise auseinander. Ihr Werk geht dabei über die analytisch-wissenschaftliche Ebene hinaus und zielt auf eine politisch-gesellschaftliche Thematik. Arbeits- und Lebensmittelpunkt ist heute das niederösterreichische Gars am Kamp, wo Franziska und Lois Weinberger seit einigen Jahren das temporäre Gartenprojekt «Gebiet II – Spiegelfabrik Gars am Kamp» entwickelten. «Wir säen nichts, wir pflanzen nichts, wir halten den Boden offen für Neues, das kommen kann, woher auch immer, vom Wind, den Vögeln, von der Erde selbst … Es ist ein Garten entstanden, der die Intention unserer Arbeit konzentriert zeigt, die Beschäftigung mit dem Peripheren, den Brachen, den kulturellen und poetisch-politischen Verästelungen der Ruderalpflanzen», umschreibt Lois Weinberger den Garten im Areal der ehemaligen Spiegelfabrik. Dabei bilden wie so oft Ruderalpflanzen (umgangssprachlich oft als Unkraut bezeichnet) den Mittelpunkt der Arbeit der beiden Künstler. Diese Gewächse, die auf meist kargen Böden und auch unter minderen Bedingungen gedeihen können, sind nicht selten in den urbanen Peripherien angesiedelt, auf Schuttflächen, Bahndämmen oder nicht bewirtschafteten Brachflächen. Franziska und Lois Weinbergers Schaffen kann mit dem Begriff des prozesshaften Gesamtkunstwerks beschrieben werden. Von exakten Beobachtungen ausgehend, initiieren die beiden durch minimale Eingriffe Prozesse, die sie dann wieder sich selbst überlassen, der Prozessverlauf wird lose dokumentiert. Texte, Fotos und Objekte von Franziska und Lois Weinberger zu dem Projekt «Gebiet II –Spiegelfabrik Gars am Kamp 2007–2010» sind in einer Sonderausstellung im Niederösterreichischen Landesmuseum bis 9. Januar 2011 zu sehen. Franziska und Lois Weinberger schaffen keine Gärten im herkömmlichen Sinn, vielmehr legen sie Gebiete offen, eignen sich Orte wie aufgelassene Schottergruben oder urbane Zwischenräume an
sogenannte «Nichtorte» im Sinn des französischen Anthropologen Marc Augé – und setzen dort in einer Art Pflanzentransfer, wie es Lois Weinberger nennt, ihre eigenen Pflanzengesellschaften ein. «Ruderalpflanzen sind», so der Künstler, «daher auch Immigrationspflanzen, weil sie sich wie die Menschen, die heimatlos geworden sind, an den Peripherien ansiedeln.» Franziska und Lois Weinberger spannen durch ihre Arbeit ein poetisch-politisches Netzwerk, das den Blick auf Randzonen lenkt und Hierarchien unterschiedlicher Art infrage stellt. Das breite Spektrum des österreichischen Künstlerduos reicht dabei von Interventionen im städtischen und ländlichen Raum über Objekte zu Fotoarbeiten, Filmen und Installationen bis hin zu Kunst am Bau

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2010