Magdalena Schrefel

Literatur
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Ich will doch seine Geschichte

Die 1984 in Korneuburg geborene Magdalena Schrefel hat ihren ersten Erzählband Brauchbare Menschen vorgelegt. In zwölf Texten widmet sich die Autorin mit viel literarischem Geschick verschiedensten Formen von Erwerbs- und Care-Arbeit. Jede der auftretenden Figuren hat eine individuelle Definition des Begriffs „Arbeit“.

Radu in Landpartie, der in einem Schlachthaus gearbeitet hat, aber der ihn interviewenden Erzählerin seine Geschichte als im Ausland Schwerstarbeit verrichtender Rumäne verweigert, bittet sie, ihren Blick auf die „brauchbaren Menschen“ zu richten und von ihnen zu erzählen:

„Wenn du auf der Suche nach den Arbeitenden von heute bist, dann musst du (…) in die Krankenhäuser, in die Friseurläden und in die Supermärkte (…), du musst zu den Lieferdiensten, den Paketdiensten, zu den Flugbegleiterinnen bei den Billigairlines oder auch zu den Gigarbeitenden, den Klickarbeitenden, den Ausgelagerten, zu den Reinigungskräften und den Sicherheitsdiensten, zu den Menschen, die das alles hier am Laufen halten.“

Die Verwüstungen und Zurichtungen von Körpern und menschlichen Beziehungen – z. B. als Arbeitende im Schlachthaus, in der sogenannten „Sicherheitsbranche“, als „Sex“-Arbeiterin oder als Erntehelfer:innen – im Zeitalter neoliberaler Arbeitsverhältnisse des Spätkapitalismus werden in der wohl beeindruckendsten Erzählung des Bandes, Mein Vater ruft an, deutlich.

Diese Erzählung, das Herzstück des Bandes, zeigt auch die wandelnden Semantiken des Wortes „Arbeit“, die von Beziehungs- und Trauerarbeit bis zu Scham- und Traumarbeit reichen, denen die Figuren bis ins Privateste ausgesetzt sind.

Vom Theater her kommend beweist Schrefel ein feines Gespür für die Sprache ihres Figurenensembles, das – aus allen gesellschaftlichen Bereichen stammend – mit den Leser:innen in einen Dialog tritt. Ihre Figuren sind nie eindimensional; sie widersetzen sich vehement – manchmal mit Wut, aber viel öfter noch mit Humor – den ihnen aufoktroyierten Zuschreibungen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2022