Das Lächeln archaischer Kulturen
Den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich hat in diesem Jahr eine Künstlerin erhalten, die für die Kunstszene Österreichs von großer Bedeutung ist, und das sowohl im künstlerischen als auch im menschlichen Bereich.
Maria Biljan-Bilger kam 1912 als Tochter eines Hafners und Keramikers, der aus Kroatien stammte, in Radstatt in den SalzburgerTauern zur Welt. Die Familie übersiedelte nach Graz, wo Maria bereits mit 15 Jahren die Keramikklasse der Kunstgewerbeschule besuchte. Es war selbstverständlich, daß sie mit Ton arbeiten würde, von Kind an hatte sie Umgang damit in der Werkstatt des Vaters, so war ihr das Material vertraut, dieses Material der Erde mit jahrtausendealter Tradition. ,,Trotz ihrer kompromisslosen modernen Form liegt das Lächeln archaischer Frühkulturen über diesem Werk“, schreib Kurt Moldovan 1954 über die Künstlerin, und Fritz Wotruba meinte: ,,Zum ersten Mal seit langer Zeit zeigen sich hier tönerne Formen voll von Naivität, Humor und Witz, origineller Gestalt und Noblesse der Farbe. Anstelle von Ressentiments tritt echte Abkunft von den großen Traditionen dieser ältesten Ausdrucksweise der Menschheit.“ (1952).
Tiere aller Art, Katzen, Pferde, Vögel, Wasserbüffel, Fabel- und Phantasiewesen, menschliche Figuren, auch hier neben Mann, Frau und Kind, allerlei Phantastisches, formt die Künstlerin aus Ton und Stein, und jede Figur bekommt nicht nur die anmutige Form, sondern auch ergänzendes Dekor. Eingeritztes oder aufgesetztes, oft auch nur gemaltes Lineament vollendet die meist ganz einfache klare Form, gibt aber zur Strenge die Poesie, zum Ernst das Spiel, das Lächeln.
Maria Bilger war von Beginn ihres Auftretens in Wien an, schon in den schweren 40er Jahren, und in der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit erst recht, Mittelpunkt im Künstlerkreis. Der Art-Club, zu dessen Gründungsmitgliedern sie gehört, war ein Ort der Auseinandersetzung mit der modernen Kunst und ein Ort, wo die Künstler der verschiedensten Richtungen zusammentrafen, wo es Freundschaften gab wie später nie mehr, ein Ort der Hilfsbereitschaft und gegenseitigen Achtung. Diese Zeit hat viele Künstler entscheidend geprägt, wenn auch später so manche Freundschaft zerbrach und sogar Antipathien entstanden. Maria Biljan-Bilger war und ist bis heute anerkannt, ihre besondere Begabung und Ausdruckskraft wird von keinem angezweifelt.
Maria Bilgers künstlerische Entwicklung ging stetig und ohne spürbare Brüche vor sich, ihre Vielfalt ist faszinierend. 0b sie bildhauert in Ton oder Stein, ob sie Bilder malt oder Teppiche webt, ob sie zeichnet oder Glasfenster schafft, sie ist immer bei sich geblieben. Sie hat sich nie verloren in der Menge der Möglichkeiten. Sie hat alle Anregungen von ihren vielen Reisen nach Dalmatien oder Sizilien, nach Griechenland oder wo immer sie sonst noch hinreiste, in ihr eigenes Formenvokabular aufgenommen. Auch die Anregungen aus der Tradition der Kunst primitiver Völker hat sie sich zu eigen gemacht, hat Gedanken, die ihr nahekamen, in eigene umgesetzt, hat Neues aus Altern geschaffen und hat damit bewiesen, dass Kunst immer und durch alle Zeiten lebendig ist. Nie nachahmend, aber aus innerer geistig-menschlicher Verwandtschaft, aus einem großen Weltgefühl, hat sie an den Themen der Menschheit ernst-spielerisch weitergearbeitet.
Die Kälte des Schöpferischen und die Einsamkeit des Gedankens weiß Maria Biljan-Bilger mit der Wärme des Menschlichen zu versöhnen. Vielleicht auch deshalb hat sie gerne mit Kindern, später in der Hochschule für angewandte Kunst mit Studenten, ebenso wie mit Erwachsenen gearbeitet. Auch in St.Margarethen und in zahlreichen anderen Bildhauersymposien in aller Welt war sie und ist sie sofort eine zentrale Persönlichkeit, um die sich die anderen scharen. Ihre Wahrhaftigkeit im Umgang mit der Kunst wie mit den Menschen ist überzeugend für jeden, der sie einmal erlebt hat, im privaten oder öffentlichen Bereich.
Maria Biljan-Bilgers Welt ist eine Welt der Phantasie, der schöpferischen Vielfalt, der Sensibilität und der künstlerischen wie menschlichen Kraft. Nie hat sie aufgehört, an sich zu arbeiten, jeder Schritt von einem zum anderen Objekt ist ein Schritt in unbekannte neue Welten, trotz allen Könnens und aller Routine, allen Wissens über Technik und Komposition, war und ist die Kunst das Abenteuer ihres Lebens. Jahrtausende alt und doch jeden Tag neu.