Architektur/Körper/Landschaft/Bilder
Seit Anfang der achtziger Jahre, als Maria Theresia Litschauer ihre künstlerische Arbeit begann, spielt das Medium Photographie eine singuläre und dezisive Rolle in ihrem Schaffen. Bis zu ihrer ersten, farbphotographischen Serie „Le Marriage“ 1989 (welche thematisch eine eigene Position im Gesamtoeuvre einnimmt) bestimmte die Schwarz-Weiß-Photographie ihr künstlerisches Werk, das sie erstmals 1984 in der „Fotogalerie Wien“ der Öffentlichkeit präsentierte. Zahlreiche österreichische und internationale Ausstellungen bzw. Ausstellungsbeteiligungen sowie Publikationen markieren und zeigen den Stellenwert, den die Arbeit der Künstlerin seit einem Jahrzehnt in Österreich einnimmt.
Drei thematische Passagen bestimmen das gesamte Werk von Maria Theresia Litschauer: Architektur Körper Landschaft. Alle drei Themen werden dabei jedoch nicht im „klassischen“ Sinne als Einzelsujet reflektiert, sondern in Form der Interferenz miteinander verknüpft. Für die Künstlerin ist die Architektur immer auch ein „Körper“, der „Körper“ immer auch eine Architektur; dasselbe gilt auch für die „Landschaft“. Bereits ihre ersten Arbeiten (Architektur) verweigern sich dem Gestus des Dokumentarischen, obwohl er auf den ersten Blick bestimmend zu sein scheint. Für die Künstlerin ist das Medium Photographie ein Instrumentarium des Wahrnehmens und Komponierens. Es geht nicht um die visuelle Wiedergabe von Wirklichkeit, sondern um eine konzeptuelle Annäherung und Kontraposition von ihr. Architektur wird in einer Dialektik von Kultur und Natur rezipiert, wobei die Nahtstellen, also die Übergänge zwischen beiden Bereichen in der photographischen „Naturalistik“ eine besondere Bedeutung erfährt. Mit dieser Akzentuierung setzt die Künstlerin Architektur als Landschafts- „Körper“. Der dem Medium Photographie immanente Egalisierungseffekt des Dargestellten alles ist im photographischen Bild gleichwertig repräsentiert eliminiert in pikturaler Hinsicht hierarchische Positionen zwischen Natur und Kultur.
Die auch chronologisch zweite thematische Passage im Werk von Maria Theresia Litschauer ist der menschliche Körper. Auch hier verweigert sie sich einem klassischen Akt bzw. Körperbegriff. Die 1983 – 1986 entstandenen Nahaufnahmen von verschiedenen Körperteilen stehen nicht in einer kunstgeschichtlichen Strategie der Fragmentierung des Körpers, sondern ermöglichen eine Intro-Vision, in der sich der Körper als ,,Landschaft“ realisiert. Auf den ersten Blick wird unsere Wahrnehmung irritiert, wir können nicht immer sofort einen menschlichen Körper in den photographischen Bildern erkennen. Diese Irritation ermöglicht uns neue Blicke auf den Körper bzw. unsere Vorstellungsbilder von ihm.
Die Landschaft als dritter, großer thematischer Bereich ist sowohl per se eine wichtige Passage in den Arbeiten der Künstlerin, als auch in metaphorischer, symbolischer Hinsicht. Auch hier findet sich wieder das Verständnis der Landschaft als Körper. Darüber hinaus machen uns die Landschaftsserien auf einen Aspekt aufmerksam, der im gesamten Werk konstitutiv ist: die Frage nach dem Raum, dem Räumlichen und seiner kulturellen Besetzung. Körperräume, Landschafts-Räume und Architektur-Räume stellen die Schnittflächen zwischen den einzelnen thematischen Werkgruppen dar.
Mit der Einbeziehung der Farbphotografie Ende der achtziger Jahre erfährt das Oeuvre von Maria Theresia Litschauer sowohl formal-ästhetisch als auch thematisch eine neue Akzentuierung. „fort da“, eine 1992/93 konzipierte, bis jetzt allerdings noch nicht realisierte Installation mit Photographie, Text und Objekt und die Arbeit „Diskurs über Sichtbarkeiten“, 1991/92 entstanden, für die die Künstlerin auch den ,,Förderungspreis für künstlerische Photographie“ des Landes Niederösterreich erhalten hat. Beide Werke verfahren medienreflexiv und thematisieren das Medium Photographie sowie Bilder generell. „fort da“ ist eine Auseinandersetzung mit Präsenz und Absenz im Angesicht der Photographie, wobei das Denken des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan als Referenzrahmen dient. ,,Diskurs über Sichtbarkeiten“, eine vierteilige farbphotographische Arbeit (Polaroids, Cibacopytransfer, je 75 x 61 cm). Das photographische Verhältnis von „fort-da“ wird auf der Ebene der Visibilität reflektiert. Die Frage nach Sichtbarkeiten in Bezug auf Bilder wird in der synthetischen Verknüpfung von vier einzelnen Photographien zum visuellen Diskurs von Bilder-Räumen. Der Kopf der Künstlerin in einer Röntgenaufnahme, die Hand der Künstlerin vor einem Licht, ein Monitorlicht sowie eine photographische Aufnahme von einem Künstleratelier zeigt jeweils unterschiedliche Stadien von Bildern, die alle Formen von medien- und kunsthistorischen epräsentationsstrategien sichtbar machen. Vom kunsthistorischen Bild (der Einblick in ein Künstleratelier ist eine Paraphrase auf ein berühmtes Gemälde von Velazquez) bis zu apparativen Bildmedien wie Röntgenbild oder Monitor wird das Verhältnis von opak und transparent im Hinblick auf die Frage nach dem Bild-Licht aufgeworfen. Diese neue medienimmanente Dimension im Werk der Künstlerin weist auch darauf hin, dass es ihr immer um das „Existentielle“ im Angesicht der Bilder geht, wer wir sind, wenn wir vor einem Bild sind bzw. wenn wir (uns) ein Bild machen. Gerade die Serie ,,Diskurs über Sichtbarkeiten“ öffnet damit den Blick auf den Bilder-Raum als Identitätsraum per se und auf eine philosophische Komponente des Oeuvres von Maria Theresia Litschauer.