Marialuise Koch

Volkskultur und Kulturinitiativen
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Volkskultur ist Lernkultur

… postuliert sie unbeirrt und überzeugt jahrzehntelang, wenn es um die Verankerung des 1993 ins Leben gerufenen und österreichweit ausgerollten Schulprojekts „Mit allen Sinnen“ geht. Mittlerweile zählt man, nach Schuljahren gerechnet, die 30. Auflage. Diese Initiative wollte und will Volkskultur in der gesamten Bandbreite erlebbar machen: Sie bringt Volksmusikantinnen und Volksmusikanten sowie Volksliedsängerinnen und Volksliedsänger ins Klassenzimmer, lässt Exkursionen zu Instrumentenbauerinnen und Instrumentenbauern sowie Handwerkerinnen und Handwerkern terminisieren, bringt „erzählte Lebensgeschichte“ nahe, fordert auf, in der eigenen Familie Bräuche und Lieder zu dokumentieren, baut Vorurteile gegenüber anderen Kulturen durch gemeinsames Kochen oder Musizieren ab.

Mittlerweile tun sich an so vielen Schulen „Schmelztiegel der Kulturen und Religionen“ auf: in den Ballungsräumen stärker als im ländlichen Raum – noch. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – diese antiquiert anmutende Redewendung birgt dennoch eine zeitlose Erkenntnis. Viel zu oft unterschätzen wir die ersten prägenden Lebensjahre, im familiären Umfeld, im Kindergarten und schließlich in der Grundschule.

Marialuise Koch wurde 1950 in St. Johann in Tirol geboren und wuchs in Wien auf. Sie trägt Stadt und Land in sich und entdeckte sehr bald ihre Leidenschaft für Musik, besser gesagt, kam früh genug positiv mit Musik in Berührung. Volkslieder lernte sie an der Übungshauptschule der Lehrerbildungsanstalt kennen. Maturiert hat sie am musisch-pädagogischen Oberstufenrealgymnasium in der Hegelgasse, Wien 1. Es folgte das Lehramtsstudium für Musikerziehung und Gitarre an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien sowie für Geschichte an der Universität Wien.

16 Jahre Unterrichtstätigkeit an höheren Schulen und danach, von 1985 bis 2011, 26 Jahre engagierte Tätigkeit als Fachinspektorin für Musikerziehung und Instrumentalunterricht im Landesschulrat, heute Bildungsdirektion Niederösterreich, schlossen an. Diese Tätigkeit umfasste Beratungs- und Entwicklungsaufgaben. Ihre Kompetenz, ihr Sensorium für hohe Qualität des musischen Schaffens sowie ihr kultivierter Umgang mit Menschen machten sie zu einer beliebten und begehrten Mitstreiterin: als Jurorin bei Musikwettbewerben, als anerkannte Stimme gegen den Abbau von Musikstunden oder als Autorin von Fachartikeln.

Bis heute ist sie leitende Redakteurin der Zeitschrift „Musikerziehung“, herausgegeben zweimal jährlich von der AGMÖ – Arbeitsgemeinschaft Musikerziehung Österreich. Dennoch: Das Volkslied hat es ihr angetan. Denn sie war sich stets sicher, dass mit elementaren Formen jegliches musikalische Schaffen grundgelegt wird. Es gibt kaum etwas Schöneres, als gemeinsam zu singen, zu musizieren oder zu tanzen. Daran ließ und lässt Marialuise Koch Hunderte von jungen und älteren Menschen teilhaben – als Chorleiterin gleichermaßen wie als Gitarristin in der Stubenmusik.

Sie lebte es vor – sowohl bei den Pädagoginnen und Pädagogen als auch im heutigen Heimatort Inzersdorf, wo Marialuise Koch seit ihrer Pensionierung im Jahr 2011 den Verein „Kultur Schloss Walpersdorf“ hochgezogen hat und international renommierte Interpretinnen und Interpreten für die Schlosskonzerte gewann. Im kleinen, feinen Rahmen ist es möglich, eine ganz besondere Verbindung zwischen den Künstlerinnen und Künstlern und dem Publikum entstehen zu lassen, und das entspricht vollkommen der Auffassung unserer ausgezeichneten Vermittlerin.

Ihre Mission hatte immer schon einen ganzheitlichen Anspruch, stets auf der Suche nach Querverbindungen. Persönlich darf ich anmerken, dass die Preisträgerin die verlässliche Zusammenarbeit von Schulbehörde und Kulturorganisationen wie beispielsweise der Volkskultur Niederösterreich suchte. Die Jahrzehnte ihres Wirkens brachten nicht nur wunderbare Schulprojekte zur Umsetzung, sondern 2010 auch ein brauchbares Liederbuch „Oans, zwoa, drei. Volkslieder aus Niederösterreich für die Schule“ auf den Schulbuchmarkt: eine wohlüberlegte Auswahl von 85 Liedern und Jodlern für Acht- bis Zwölfjährige. Zwei Jahre später konnte diesem Liederbuch eine CD mit Einspielungen von Schulchören aus dem ganzen Land nachgeliefert werden.

Und wenn tatsächlich das eine oder andere Mal etwas Zeit zum Genießen nach einer gelungenen Schulveranstaltung oder einem erfolgreich zu Ende geführten Seminar in kleiner Runde blieb, wurden gemeinsame Lieder „ausgepackt“. Unaufgeregt, ohne Öffentlichkeit, für das eigene Wohlbefinden – zwei-, drei- oder vierstimmig, im schlichten Volksliedsatz – stilvolle Feierkultur und unwiederbringliche Momente. Irgendwann haben wir all das gelernt!

Möge ihr Lebenswerk immer wieder aufs Neue Auffrischung finden und gebraucht und gelebt werden. Wir gratulieren einer universell gebildeten Frau mit Stil und Liebe zur Volksmusik.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2022