Über Zuständlichkeit
Was sie in erster Linie auszeichnet, ist ihre Unbedingtheit, ihre vielfältige und wandelbare, aber doch, wenn einmal ein Entschluss gefasst ist, unerschütterliche Unbedingtheit. Dort liegt der Ansatz ihrer Arbeit: in der ersten, noch flüchtigen Substanz einer Idee, einer Vorstellung davon, wie eine Skulptur zu sein hat, noch ganz ohne festere Form, sie beginnt dort, wo noch nichts Greifbares ist, an diesem spannenden Ort, der nicht überfrachtet ist mit bildhauerischer Theorie oder Erinnerungsbildern, die dazu auffordern, weitergedacht und -geformt zu werden. Sie sucht den Anfang immer wieder dort, wo es noch nichts gibt, und das Schattenbild einer Möglichkeit wird tiefer verschattet, fast ganz in das Vorstellungslose und Unvorgestellte zurückgedrängt, bis etwas für sie Unbekanntes, noch nicht Erwogenes darin wirksam wird. Und das ist schon die ganze Skulptur, die sie aber erst mühselig und mit aller Energie zur Form bringen muß, an die Wirklichkeit des Materials zu übersetzen hat, und sie folgt hier immer nur dieser schwer haltbaren, gereinigten und gefilterten, fast bis an die Grenzen ihrer Vorstellungssubstanz verdichteten Grundidee, die nun in einem sehr langwierigen, auch physisch fordernden Prozess materialisiert wird. Dieses Prinzip bleibt auch in den monumentalen Stahlskulpturen der mittleren achtziger Jahre spürbar: Die Idee hat klein begonnen, geht vom Grundsätzlichen aus und vergrößert sich mit aller Sorgfalt, die darauf nur angewendet werden kann, obwohl die Formate der Platten, aus denen diese Faltungen und Blöcke zusammengesetzt sind, die physischen Möglichkeiten ihrer Handhabung fast übersteigen, werden sie dennoch wie kleine Teile behandelt, mit größter Präzision und Genauigkeit – was aber letztlich für ihre außerordentliche Suggestion durch Durchdachtheit und Durchgesetztheit des Bedachten spricht. Nur in diesem Sinn ist Marianne Maderna eine minimalistische Künstlerin: als die Essenz, wenn man so will, der springende Punkt ihrer Skulpturen eine einzige, grundlegende Idee vergegenwärtigt, während die Praxis ihrer Formulierungen, die Gedanken- und Empfindungsfülle, die für die Ausführung zur Anwendung gebracht wird, bei aller Strenge doch auch impulsive, sinnliche Aspekte verarbeitet, aber eben auf ihre Substanz hin reduziert und zu größter Spannung, Anspannung gesteigert. In den letzten Jahren hat die Kantigkeit und Zackigkeit, der Geometrismus ihrer Skulpturen, sich wieder etwas gemildert und ist zu den mehr organischen Ansätzen der Skulpturen aus den frühen achtziger Jahren zurückgekehrt, ohne allerdings – und das ist das bemerkenswerte – an Präzision zu verlieren. Es gelingt ihr nun, wie keinem Bildhauer zuvor, auch in der weichen, gerundeten, gekurvten Form ein Höchstmaß an Suggestion des Unbedingten zu formulieren, der vollendeten, vollständig vorgestellten Materialisation des plastischen Gedankens, dessen Autonomie und Abgesetztheit von der Welt der Wirklichkeitsbilder allerdings ein wenig zurückgenommen wurde in die Vorstellung des Organischen, Lebendigen, damit aber auch Hinfälligen und Vergänglichen. Einerseits klingt hier die Trauer um den Zustand unserer Natur an, andererseits aber doch eine weit abstraktere, der Kunst immanente Vorstellung: von ihrer eigenen Hinfälligkeit, die sich auch gegen die selbst erprobten, monumentalen Möglichkeiten richtet mit ihrem Anspruch der Idee, die nach Platon ewig sein soll. Dass selbst die Wirklichkeit der Kunst sich jederzeit in eine andere verwandeln kann, dass es dort wie hier, wo wir mit unseren Füßen stehen und nicht mit unseren Gedanken schweifen, keine Beständigkeit gibt, sondern nur dieses Fließen und Ziehen, das uns schließlich ganz woanders hinträgt, über den Tod hinaus, und letztlich die einzige Vision der Stabilität enthält.