Marianne Maderna

Bildende Kunst

Der unbedingte Wille zur Form

Es prägt die Kunstszene eine Ästhetik, die aus dem aktuellen Präsentationstechniken, den Architekturen und Schaufenstern, einfache, klare Formen auf das Kunstwerk überträgt. Hier wendet sich Kunst nicht gegen eine Waren- und Modegesellschaft, sondern ist gleichsam Spiegel derselben, indem sie sich mit dem einstmaligen Feindverbündet, ja sogar eine tiefe Freundschaft schließt.
Daneben setzt sich seit einigen Jahren in Symposien, Ausstellungen und nicht zuletzt in zahlreichen Werken selbst die Diskussion um den Anteil der Natur in der Kunst fort. Bekannt ist hier auch der Versuch, aus anorganischen Materialien Natur zu formen. Pflanzen, die sich in Nachschlagewerken nicht finden lassen, werden zu tragischen Wesen, zu Metaphern für sterbende Landschaften und scheiternde Menschen.
Beide so unterschiedliche Positionen, die glatten Abbilder unserer Sehnsüchte, wie auch Natur, die keine ist und doch eine sein könnte, bestimmen die letzten Jahre im Schaffen der Bildhauerin Marianne Maderna. Dieses thematische und formale Gegensatzpaar markiert den vorläufigen Endpunkt in einer künstlerischen Entwicklung, die verschiedenste Form- und Strukturzusammenhänge hervorbrachte.
1944 in Wien geboren, studierte Marianne Maderna an der Akademie der Bildenden Künste sowie an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Ihre Werke sind seit 1978 in zahlreichen Ausstellungskatalogen dokumentiert.
Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Überlegungen ist das Design. Hier liegen die Wurzel eines Kunstwollens, das in starkem Materialbezug Formen mit ornamenthaften Liniengefügen verziert und in Jugendstilmanier Kunsthandwerk, Glasmalerei und bewegte Figurenbilder hervorbringt. Das menschliche Antlitz wird maskenhaft verfremdet, auch hier in kurvig linearem, nostalgischem Formenrepertoire.
In den frühen achtziger Jahren vollzieht sich Madernas völlige Abkehr von einer tradierten Stilsprache und führt hin zu organischen Motiven, eine Wandlung hin zu archaischen Grundformen, zu spröden Materialbildernin Beton, Wachs und Eisen.
Mehr und mehr rückt der Mensch ins Zentrum ihres Schaffens. Momentaufnahmen einer Situation werden mit roh bearbeiteten Beton- und Eisenstäben nachgestellt. Durch Reduktion und Abstraktion entstehen tragische Figurenbilder; Ohnmacht“ und ,,Gefangen sein“ werden mit einfachsten Mitteln umgesetzt. In den Ausstellungen der Künstlerin sind meist auch Zeichnungen zu finden, die als tagebuchartige Notizen Studien und Bewegungsabläufe offenlegen und damit Einblick in den Entstehungsvorgang, den Formfindungsprozess ihrer Arbeiten zulassen. Die Zeichnungen führen die archaischen Skulpturen auf ihre gegenständliche, meist figürliche Wurzel zurück. Was in der Pinselskizze in wenigen Strichen und doch für den Betrachter lesbar, festgehalten ist, wird skulptural umgesetzt zum Träger einer entrückten Wirklichkeit.
1987 wird mit der Ausstellung in Bad Vöslau eine neue, vielleicht die großartigste Schaffensperiode im Ouevre der Künstlerin eingeleitet. Die nunmehr stählernen Skulpturen gewinnen an Monumentalität, eine spröde-belebte Formenwelt ist dem Umgang mit eckigen, kantig verzahnten, geometrischen Gebilden gewichen. Sie treten auf einer großen Wiese in Bezüge und Gegensätze, bespielen gemeinsam den neuen Ort der Handlung, die Landschaft. Diese ,,Faltungen“ und ,,Blöcke“ ordnen sich in ihrem einfachen, glatten Aufbau, ihrer in sich stimmigen Konstruktion aus geometrischen Gebilden, den optischen Eleganzvorstellungen unserer Zeit unter, ohne sich gegen diese zu wenden. Materialien sind Stahlplatten und Bänder, die überaus exakt aneinandergeschweilt, gebogen oder geknickt sind. Viele Skulpturen wirken trotz ihrer Monumentalität auffällig filigran. Oft ist die klassische Ponderation der gegenständliche Ausgangspunkt, Stand- und Spielbeinseite werden in tänzerische Leichtigkeit versetzt. Statische Blöcke finden sich neben Bewegung in äußerster Intensität, die den Betrachter verlockt, einer Kontur folgend, die Skulptur zu umschreiten.
Werke der folgenden Jahre behalten oftmals die Landschaft als Ort der Handlung bei, legen aber das geometrische Formgewand ab und kehren abermals in organische Struktur zusammenhänge zurück. Aus Zinn werden Stelen geschaffen, die, an kranke Blätter erinnernd, versuchen, sich aufzurichten und dennoch scheitern. Nicht mehr die Eleganz der Form, sondern ihr zarter, zerbrechlicher, durch jeden Einfluss gefährdeter Charakter bestimmt die jüngsten Werke Marianne Madernas.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1991