Farbe, Nähe
Marie-Luise Lebschik, 1952 in St.Pölten geboren, ist seit 1976 künstlerisch tätig. Ihre Malerei hat den suchenden, sich den eigenen Boden erst bildenden Weg eines täglichen Handwerks genommen, eines Handwerks ohne bestimmbare Regeln, ohne gewisse Ziele und geradehin greifbare Stoffe. Die Erfassung oder Aneignung des Motivs und des Raums, des Lichts und der Volumen, blieb, unbestimmt festgehalten, der Horizont, die ständige Unruhe ihrer Arbeit. Ohne den Durchgang durch die Schulung und Deformation einer Akademie war ihre Anstrengung von Diskussionen der Krise des Mediums und des Rechts des figurativen Bildes wenig betroffen. Eine gleichsam apriorische Entschiedenheit für die Notwendigkeit des Gegenstandes setzt der Arbeit Widerstände und lässt sie im Selbstwiderspruch Atem finden. Im Selbstwiderspruch, sofern sich gegen den Körper und seinen Ort, gegen seine Bewegung, gegen die Zeit seines Fühlens, gegen die Landschaft und die Luft die stumpfe farbige Fläche des Bildes aufstellt. Die Malerei von Lebschik verleugnet nicht die eigene Dinglichkeit des Bildes, seine Materialität, in der das Leben der Dinge, der Schimmer ihrer Oberflächen und die gleitenden Stimmungen, die sie tragen, gelöscht ist. Der Gegenstand-seit etwa zehn Jahren ist ein Mädchen, meist sitzend, in sich gezogen, manchmal blockhaft in einen unbestimmt rauschenden Farbgrund gestemmt, beständig wiederkehrendes Motiv der Bilder-, auch dieses Motiv und das Gefühl zu ihm, muss durch den Totpunkt der Umwandlung in das andere Ding, das Bild, hindurch. Dieser Durchgang verlangt eine eigentümliche Härte des Willens zur Gleichgültigkeit, zu einer Sättigung des Blicks nur in der Farbe. Im flächigen Zueinander treten die Farben ins Widerspiel, das Raum und Motiv ergibt. Jede Stelle des Bildes, in Bezug zum Ganzen, muss gefunden werden als Ort der Fläche und des Motivs zugleich. Dessen weltliche Bedeutungen, der Blick und die Bewegung des Kindes, die Süße, die an manchen Details haftet, werden in diesem Spiel verwandelt und aufgehalten. Es gibt keine einfache Durchlässigkeit für das Sehen und kein Versprechen einer Symmetrie des Empfindens. Nur selten kommt uns ein Aufschein von Trotz, von Furcht oder schweifender Selbstverlorenheit entgegen. Die Mädchen scheinen auch in sich stumm, fast für sich selbst verschlossen und dem Gegenüber doppelt verhüllt durch die Bindung in die farbige Erscheinung. Wenn Porträtieren ein „Hervorziehen“ der charakteristischen Züge meint, sind die Mädchenbilder Gegenportraits – Löschung, Verteilung, Dämmung der lebendigen Spannung zu der porträtierten Person im Grundklang des Bildes. Die Konnotationen sind so nicht mechanisch ausgeschlossen. Eines der Mädchen ist in duftiges Rosa getaucht, in einen Farbgrund fast überstürzter Gefühlsintensität, ein anderes scheint das abgewendete Gesicht in einen grünblauen Grund zu senken und im Blick sich aufzulösen. Die Aneignung des Motivs in Farbe untersteht keiner streng abgedichteten Ökonomie. Eine Unterströmung der Willkür und eines dezentrierten Fühlens trägt die Entscheidungen und durchdringt ihre Sachlichkeit.
Mit der Ausdauer der Entscheidung für das Motiv des Mädchens hat die Malerin ihre Arbeit konzentriert und intensiviert. Frühere Bilder der Serie entstanden ohne Modell, unsicher geführt von der Erinnerung und Ahnung, seit etwa zwei Jahren verwendet Marie-Luise Lebschik auch fotografische Vorlagen. In den offenen, unschärferen früheren Bildern setzt sich die Gestalt des Kindes erst langsam durch in den schwankenden Energien des Farbigen.
Die Arbeit von Marie-Luise Lebschik, die schwer einzuordnen wäre im Umfeld der zeitgenössischen Malerei, die auch von einem ,postmodernen“ Trend zur Gegenständlichkeit völlig unberührt ist, hat in den letzten Jahren international zunehmend Beachtung gefunden. Neben zahlreichen Beteiligungen an Gruppenausstellungen waren ihre Bilder unter anderem in Bern (Galerie Toni Gerber 1989 und 1991), Wien (Galerie Krinzinger (1994 und 1998), München ( Galerie Six Friedrich 1996, Kammerspiele München 1996) und Köln (Galerie Thomas Rehbein 1997) zu sehen.