„Im Inneren des Klaviers“
Der 1992 in Mistelbach geborene Mario Wurmitzer machte bereits 2010 mit der Veröffentlichung des Jugendromans Sechzehn auf sich aufmerksam. Er publizierte in Anthologien und Literaturzeitschriften und schrieb Theaterstücke, etwa Werbung Liebe Zuckerwatte, das beim Thalhof-Festival in Reichenau an der Rax uraufgeführt wurde. 2012/13 wurde Wurmitzer mit dem Hans-Weigel-Literaturstipendium des Landes Niederösterreich ausgezeichnet.
In seinem Roman Im Inneren des Klaviers erschafft der Autor ein subtil phantastisches, mitunter archaisches Paralleluniversum, dessen zeitliche Einordnung bis zuletzt offenbleibt. Die beschriebene Welt steht unter der Herrschaft eines absolutistischen Königs, der neben anderen Grausamkeiten auch die Zeit abschafft. Auch der Text selbst wirkt aus der Zeit gefallen: Das märchenhafte Setting, in dem Frauen Gold für den König spinnen und eine rurale Gemeinschaft mit Speeren auf Andersdenkende schießt, wird stilistisch durch banale Alltagsgegenstände wie Gummistiefel, Computer, Comic-Hefte sowie zeitgenössische Referenzen wie Kafka oder Rosamunde Pilcher durchbrochen.
Der Ich-Erzähler, ein Außenseiter, der im Wald herumstreift, trifft auf ein zunächst namenloses Du, das sich später als die Königstochter entpuppt. Gemeinsam fliehen sie vor den Soldaten des Königs, denn Unangepasstheit und Widerspruch werden im repressiven Gesellschaftsgefüge streng verfolgt. Auf der Makroebene wird also der Widerstand gegen ein politisches System verhandelt, während der Plot zugleich die zwischenmenschliche Beziehung der beiden Dissident*innen beleuchtet. Dabei werden patriarchale Beziehungsmuster mit Augenzwinkern aufgedeckt.
Wurmitzers lakonische Sprache, die immer wieder selbstreflexiv eingesetzt wird, erschafft eine absurd-phantastische, aber dennoch höchst glaubwürdige Welt, in der hinter jeder Ecke unerwartete Wendungen auf die Lesenden warten. Ein höchst ungewöhnlicher, politischer Text über Unterdrückung, enttäuschte Revolutionen und schließlich einen Rückzug in ein blaues Klavier.