Mini Wunderer-Gosch

Darstellende Kunst
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Gründerin, Querdenkerin und unermüdlich Suchende

Von diesem Kreis, in dem wir träumend stehn, hat Keiner Anfang oder End gesehn. Und Keiner kam uns wahrhaft zu berichten, woher wir stammen und wohin wir gehn.
Omar Khayam

Mimi Wunderer wurde 1951 in Persien geboren und kam im Alter von achtzehn Jahren mit ihrer Familie nach Wien, wo sie in den ersten drei Tagen ihres Aufenthalts in einem ihr fremden Kulturkreis das Hotelzimmer nicht verließ. Sie hatte Angst hinauszugehen, weil sie die fremde Sprache nicht beherrschte.
Doch bald waren Neugier und Lebensbejahung stärker als die Unsicherheit und Mimi Wunderer inskribierte an der Universität Wien. Sie studierte anfangs Bodenkultur, danach für kurze Zeit Dolmetsch, schließlich Publizistik und Politikwissenschaft – ein Studium, das sie universitär nicht abschloss, aber für sich mit einer fertigen Dissertation beendete. 1978 starb der Vater und Mimi Wunderer wurde zum sorgenden Oberhaupt einer weit verzweigten Großfamilie in der Emigration. Ein Nebenjob als Billeteurin führte die theater- und kunstbesessene Studentin an das Wiener «Metropol», wo sie nach wenigen Lehrjahren von 1981 bis 1989 die Leitung des «Hernalser Stadttheaters», der heute als «Metropoldi» bekannten kleinen Bühne des Hauses, übernahm.
Doch Mimi Wunderer wollte mehr: «Der Wunsch, außerhalb von Wien eine Kulturinitiative zu machen, war in mir. Eines Tages habe ich gehört, St. Pölten braucht eine Alternativbühne, eine freie Bühne mit regelmäßigem Programm – das habe ich ernst genommen », erinnert sie sich.
Und sie machte ernst. Am 1. April 1990 eröffnete sie ihre «Bühne im Hof» in der St. Pöltener Innenstadt, die sie bis heute erfolgreich leitet. Kabarett, Tanz, Weltmusik, Literatur und Theater für Kinder stehen neben Eigenproduktionen vor allem im Bereich des Jugendtheaters auf dem engagierten und zeitgenössisch dominierten Spielplan.
«Ich wollte eine Bühne mit freien Inhalten. Ich wollte alles spielen, was ich für notwendig gehalten habe.» Das Konzept ging auf: Die «Bühne im Hof» wurde zu einem Vorzeigeprojekt für die Stadt St. Pölten und genießt über die Grenzen des Landes hinaus hohes Ansehen.
Doch Mimi Wunderer wurde in der noch jungen Hauptstadt des Landes Niederösterreich auch an anderer Stelle gebraucht. Von 1998 bis 2002, als sie ihren Vertrag auf eigenen Wunsch nicht verlängerte, leitete sie das im Jahr 1997 eröffnete Festspielhaus St. Pölten, dem sie seit Beginn als Kuratorin für Tanz und Theater verbunden war. Mimi Wunderer schenkte dem Festspielhaus nicht zuletzt mit dem von ihr gegründeten Festival «Österreich TANZT» ein neues Format, positionierte es unverwechselbar in der europäischen Tanzszene und sorgte mit aufsehenerregenden Theaterproduktionen für regen Publikumszulauf.
Während ihrer Tätigkeit im Festspielhaus gründete Mimi Wunderer im Jahr 2002 gemeinsam mit ihrem Mann, dem Kulturmanager Reinhard Gosch, den «Verein für den Dialog zwischen den Kulturen», eine international tätige und anerkannte Initiative zur Förderung des geistigen Austauschs zwischen der christlichen und der islamischen Welt.
Mimi Wunderer, Gründerin, Querdenkerin und unermüdlich Suchende, wird mit Ende des Jahres 2015 ihre «Bühne im Hof» verlassen. Ihrer Natur gemäß denkt sie nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen – weitere Projekte dürfen mit Spannung erwartet werden!

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2015