Traubenrutsche und Zwetschkentrockner
Obwohl die Malerei für einige Jahre die Existenz sicherte und auch heute noch eine Rolle spielt, so wurde doch die Bildhauerei, die Skulptur, für Norbert Maringer zum zentralen Thema seiner Arbeit.
Nach dem Studium an der Akademie für bildende Künste in Wien, bei den Professoren Melcher und Welz, Graphiker und Maler der eine, Medailleur und Kleinbildhauer der andere, unterrichtete der junge Magister Artinm zunächst an einer Schule. Es war eine kurze, aber eindeutige Erfahrung, dass dies seinen Möglichkeiten nicht entsprach. Es folgte eine Zeit als Burgführer auf der Burg Hardegg. wo ihm nicht nur Zeit blieb für die Malerei, sondern durch kleine Ausstellungen im Schloss auch künstlerische Erfolge und gelegentlich Verkäufe gelangen. Durch die Bekanntschaft und spätere Ehe mit seiner Frau Christine öffnete sich der enge Raum, und er gewann die Erkenntnis, dass Aggression nicht unterdrückt zu werden braucht, sondern in künstlerischen Ausdruck verwandelt werden kann. Einer Zeit der Ölmalerei mit figürlich-abstrakten Themen folgte der Anfang im Bildhauerischen. Im Atelier eines entfernten Verwandten entstanden erste Steine, handwerklich perfekt und sorgfältig bearbeitet, aber eher glatt und traditionell. Große Vorbilderwie Henry Moore, Giacometti oder Marino Marini, waren- weniger formal als geistig für Norbert Maringer Anreger und ermutigten ihn bei seiner Suche nach dem ihm Eigenen, ihm Zugehörigen.
Norbert Maringer wurde 1948 geboren und wuchs im Waldviertel auf. Auf diese Herkunft besann er sich und erkannte seine Verbundenheit mit dem Elementaren, dem Ursprünglichen, wusste, dass seine Suche nach dem Inhalt seiner Arbeit in jener Kraftquelle liegt, die letztlich unser aller Kraftquelle ist: in der Erde. Eine Kindheitserinnerung tauchte auf, als der Großvater im Winter tief in die Erde grub, um am Boden des Schachtes dann Kartoffeln zu braten. Eine eher zufällige Steinskulptur, in die Maringer einen Schacht gebohrt hatte, führte ihn zur Idee, in die Erde zu graben, und er versuchte zunächst im eigenen Garten seine erste Erdskulptur, unsicher noch, ob hier ein künstlerischer Weg für ihn liege. Die Erde häufte sich um den Schacht, und tief stieß er auf die Lehmschicht, das Urmaterial allen Lebens. Immer wieder seither gräbt Maringer in der Erde, formt ans dem Lehm Kugeln, glatt, rund und unendlich in der Form, lässt auch schon einmal die Grasnarbe in der Mitte stehen und überlässt dann diese Erdskulpturen dem Wind und dem Wetter, bis sie wieder zerfallen, sich das Loch wieder schließt und nur eine Erinnerung bleibt.
Aber nicht nur die Erdskulpturen beschäftigen den Künstler, auch alle anderen urtümlichen Materialien, wie Stein und Holz. In seinem bescheidenen, aber geräumigen Atelier warten solche Objekte, sie liegen, stehen oder hängen, und Maringer geht immer wieder an ihnen vorüber eines Tages wird er ihre Formwissen und wird sie verwandeln in jenem Prozess, der dem Toten Leben gibt über die Zeit hinaus.
Wie alle Künstler ist aber auch Maringer neugierig. Jedes Material wird erprobt, mit ihm experimentiert, es wird verworfen oder akzeptiert. So z.B. ein altes Kupferdach, das er von einem Abbruchhaus bekam. Nur mit Blechschere und Hammer- Maringer verwendet überhaupt keine Maschinen bearbeitet er das schöne alte, in vielerlei Farben schillernde Material. Er schlägt es auf Holz, auf Baumstämme oder Bretter, verfremdet und verbindet das natürliche und das künstliche Material, schafft Pyramiden oder Boote, Symbole für Denkmale, für den Fluss des Lebens und des Todes. Das Vorgefundene, das objet trouve, ist allerdings auch oft genug Ausgangsmaterial für formale und inhaltliche Auseinandersetzungen. Aus einer Traubenrutsche und einem Zwetschkentrockner entsteht ein sakrales Objekt, das in der Kapelle im Museumin Drosendorf ausgestellt keinen Zweifel daran lässt, dass hier keine oberflächlichen formalen Spielereien, sondern geistige Umsetzungen stattfinden.
Auch bei jenen Objekten, die, Schränken gleich, Türen haben, die zu öffnen sind, aber nur wieder auf eine Wand führen aus Holz oder mit Kupfer beschlagen- die deutlich machen, dass wir auf unserer Suche nach Wahrheit immer wieder an Grenzen stoßen. eine Wand nach der anderen uns die Sicht auf das Geheimnis verwehrt, dass unser Bemühen um Erkenntnis und Wissen unendlich ist. Der Künstler kann Zeichen dieser Suche setzen, kann die Grenzen überwinden. Die Objekte mögen Zeugnisse des Einzelnen sein, aber auch Hilfe fir den Betrachter, der im Werk des Künstlers seine eigene Interpretation finden mag.
Norbert Maringer ist ein bedächtiger Künstler, einer, der die Dinge des Lebens bedenkt, lange abwägt und keine schnellen Schlüsse zieht. Seine Arbeit und sein Leben sind still und bescheiden, aber von jener Dichte und Konzentration, die dort finden sind. wo ein Mensch ganz wahrhaftig ist. Maringers Werk ist voll von Poesie, aber auch voll vitaler Kraft, die dem Menschen gegeben ist, der sich mit den Elementen verbunden weiß, sich der Kraft der Erde bewusst ist und dies ach mitteilen muss, weil er erkannt hat, dass sie jene nie versiegende Kraft ist, die das „Stirb und Werde“ lenkt und weit über unser endliches Denken und vordergründiges Handeln hinausweist.