Ona B.

Bildende Kunst

Spiritualität und Ironie

„ln welcher Stadt würden Sie am liebsten die Nächte verbringen?“ fragte Evelyne Egerer, Mitstreiterin der legendären Künstlerinnengruppe „Die Damen“ ihre Kollegin Ona B. „In jeder“, antwortete diese, ,,die mir zu Füßen liegt.“ In der Antwort stecken Selbstbewusstsein und Humor, Eigenschaften, die für weibliche Kunstprofessionisten überlebenswichtig sind, und Ona B. hat genügend davon, um als Malerin, Fotografin, Performance- und Konzeptkünstlerin mit souveräner Smartness der Herrendominanz im Betrieb den Kampf anzusagen. Mit Eleganz und Stil, versteht sich, denn Ona B.’s Waffen sind Bogen und Pfeil. Nicht im Sinne alpiner Steinzeitfolklore, das ästhetisch-intellektuelle Konzentrat des Kyudo, des japanischen Zen-Bogenschießens ist ihr Fach. Eine Amazone, Dressed to Kill in Rouge Vulgaire, denn Rot ist die andere Leidenschaft der passionierten Malerin. „Im Grunde ist alles rot“, stellt sie fest, ,,Es wird Ihnen den Atem rauben, wenn Sie darüber nachdenken, was alles rot ist.“ Die All-Over Installationen etwa, die so etwas wie ihr Markenzeichen geworden sind. Farbräume, deren Wände mit bemalten Leinwänden tapeziert sind, rot möblierte, autonome Spaces als Aufenthaltsorte der ganzkörper-erröteten Künstlerin, die von der Totalcamouflage aller Rottöne dieser Welt quasi aufgesogen wird. Spiritualität und Ironie liegen nah beieinander, 1999 auf der Frankfurter Messe beispielsweise, als potentielle Käufer „ihr“ Stück Leinwand aus Ona B.’s individueller Raummythologie herausschneiden mussten. Die latente Aggression, die in der Aufforderung zur Zerstörung lag, schloss das Trauma mit ein, mit dem Cut nicht nur tote Materie, sondern auch die Künstlerin selbst zu verletzen. Der Hinweis aufdie Geburt der Malerei aus der körperlichen Erfahrung war ebenso evident wie die Bestätigung der Einheit von Künstler und Werk. Dass nebenbei auch der Kunstmarkt und seine Gesetze ironisch kommentiert wurden, gehörte ins Kapitel der vielschichtigen und schlüssigen Doppelstrategien der Künstlerin. Ona B.’s Raum-Bild Dialoge,die Dialoge zwischen abstrakter Malerei und konkreter Architektur sind Netzwerke, in deren Maschen Kunst und Wirklichkeit, Traum und Leben eingefangen sind. Rennruderboote spielen in Ona B. ’s triadischem Ballett von Malerei, Raum und Objekt eine besondere, modellhafte Rolle. Die langen, schmalen, nadelförmigen Bootskörper entwickeln ihre ästhetische Überzeugungskraft vor allem, wenn sie verkehrt liegen. Ob an der Fassade der Minoritenkirche Stein steil in den Himmel ragend, oder in roter Fahnentuchverkleidung einen gewaltigen Ausstellungsraumim Egon Schiele Zentrum Krumau durchmessend, die Requisite Boot mit ihren Bedeutungen vom Fährmann Charon, vom Diesseits und Jenseits, vom Fließen und vom Wasser dient Ona B. ebenso als Identifikationsmuster, wie die Malerei. Darüber hinaus ist Ona B. ad personam immer Teil ihrer Kunst. Sie ist Element ihrer installativen Arbeiten, Repräsentationsfigur aufinszenierten Fotos und Akteurin in zahlreichen Performances und Videoarbeiten. Kürzlich hat sie ein Video mit Tone Fink produziert und sich, mit Niveacreme bedeckt und in Papiermachee gewickelt, ganz in die weiße Kunstwelt des Kollegen begeben. Die Objekte Finks sollten durch die Bewegung Ona B.’s anschaulich gemacht werden, bis sie, durch eben jene Bewegung und das Auftrocknen des Materials, wiederum vom Körper der Performerin abfielen. Wie man mit lässiger Gebärde die Kunst der Männer abschüttelt, mag eine Interpretation der Arbeit sein. Dass ,,Junggeselle“ Tone Fink seine nunmehr entkleidete „Braut“ über die Schulter wirft und aus dem Bild trägt, steht hingegen auf einem anderen Blatt der Gender Studies. Der Fushimi Inarii Schrein in Kyoto war Schauplatz eines Events im Reisejahr 1999/2000. Drei Japanerinnen und Ona B. spazierten, rot gekleidet und mit roten Schirmehen, durch das Heiligtum mit seinen 1000 roten Toren. Der Grund für den Besuch ist leicht erklärt: Inarii bedeutet Fuchs, und Füchse, glauben die Japaner, machen die Menschen verrückt: nämlich positiv denkend und kreativ. Meint auch Ona B.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2000