Vermittler zeitgenössischer Architektur
Seit Ende der siebziger Jahre zeichnet sich Otto Kapfinger durch eine sorgfältigkritische, wissenschaftlich qualifizierte Begleitung des zeitgenössischen österreichischen Architekturschaffens aus. Als ausgewiesener Kenner der einheimischen wie der internationalen Architektur des 20. Jahrhunderts hat er wesentlichen Anteil an der publizistischen Verbreitung der heute absolut wettbewerbsfähigen österreichischen Architekturleistungen auch ins Ausland. Geboren wurde Otto Kapfing-er 1949 in St. Pölten in Niederösterreich. Im nahen Herzogenburg, wo sein Vater als Handwerksmeister tätig war, wuchs er zusammen mit mehreren Geschwistern auf. Nach der Matura studierte er von 1967 bis 1972 an der Technischen Universität Wien Architektur. Zusammen mit Angela Hareiter und Adolf Krischanitz gründete er 1970 die Gruppe Missing Link, die mit Projekten, Performances, TV-Filmen,Ausstellungen, Vorträgen usw. wesentlich zur damals aktuellen Phase der Pop-Kultur in der Wiener Architekturszene beitrug. In diese Zeit fallen aber auch zahlreiche Zeichnungen sowie Objekte, die u.a. in Ausstellungen im Museum des 20. Jhdts in Wien ausgestellt wurden. Von 1976 – 84 entstanden in Zusammenarbeit mit Adolf Krischanitz eine Reihe Projekte und mehrere Bauten: u. a. das Reisebüro Kuoni, das Haus Nagiller in Perchtoldsdorf, die wissenschaftlich kritische Renovation der Wiener Werkbundsiedlung sowie die Revitalisierung des Ausstellungsgebäudes der Wiener Secession. Über die letzten beiden Arbeiten verfaßte Otto Kapfinger zusammen mit Adolf kg Krischanitz zwei Monographien in Buchform, in denen Geschichte und Erneuerung sorgfältig dokumentiert wurden. In dieselbe Zeit fallen die Ausstellungen ,,Wiener Studien“ (1977), Museum des 20. Jhdts. Wien und Österreichisches Kulturinstitut in New York, sowie ,,A New Wave of Austrian Architecture“ (1980), Institute for Architecture and Urban Studies, New York. Seine praktische Tätigkeit erlaubte ihm später, bei seiner Ende siebziger Jahre einsetzenden a rchitektu rwissen schaftli ch en und publizistischen Tätigkeit eine größere Eindringtiefe in die Materie der Architektur und ein hohe sachliche Genauigkeit. In der Österreichischen Gesellschaft für Architektur, dem wichtigsten Diskussions- und Bildungsforum für Architektur in den siebziger und achtziger Jahren, war Otto Kapfinger von 1978 bis 92 als Vorstandsmitglied tätig und Mitbegründer der Zeitschrift UMBAU. Als Redaktionsmitglied betreute er bis 1990 zwölf Nummern dieser Schriftenreihe. Für die Wochenendbeilage SPECTRUM der Wiener Tageszeitung ,,Die Presse“ verfaßte er von 1981-91 Kritiken und Essays über Architektur, Städtebau und Design, insgesamt rund 360 Texte mit 1800 Manuskriptseiten. Mit dieser wichtigen Vermittlertätigkeit bereitete er den Boden für eine wachsende Akzeptanz der zeitgenössischen Architektur in Österreich, mithin Grundlage für die hochstehende Architekturkultur im Wiener Raum, die nun bereits seit Jahren internationale Beachtung findet. Ab 1984 ist Kapfinger als Lehrbeauftragter am Institut für Möbelbau und Raumgestaltung, Meisterklasse Johannes Spalt, an der Hochschule für angewandte Kunst tätig (bis 1990). Hier organisiert er 1985 das internationale Symposium „Josef Frank 1885-1967″. Parallel dazu entstehen die Ausstellungen: ,,Josef Frank – Siedlungen und Siedlungsprojekte“, mit Johannes Spalt und Adolf Krischanitz (1984); ,,Josef Frank – Stoffe, Tapeten, Teppiche“, mitJohannes Spalt (1988); ,,Haus Wittgenstein – Dokumente und Spuren vor Ort“, mit Bernhard Leitner (1989). Alle diese Ausstellungen waren von Katalogen begleitet, die international Verbreitung und Anerkennung fanden. Ebenfalls 1989 erschien das Buch ,,Dichte Packung/Architektur aus Wien“,in dem Otto Kapfinger zusammen mit Franz E. Kneissl die wichtige Entwicklungsphase der siebziger und frühen achtziger Jahre der Wiener Szene dokumentierte. Anfang der neunziger Jahren wird Otto Kapfinger vom BMUK beauftragt, als Kommissär den Österreichischen Beitrag zur 18. Triennale di Milano (1992) zu kuratieren, wo er dem zukunftsweisenden Schaffen der österreichischen Nachwuchsgeneration Raum und Stimme gab. Als Kurator der Ausstellung „Möbel für sich – Ausgewählte Stücke österreichischer Architektinnen/Architekten“ für Centroform (1992) führte er vor Augen, daß in Wien die Tradition des Möbelentwurfs durch Architekten weiterhin auf hohem Niveau gepflegt wird. Für die Ausstellung ,,Visionäre & Vertriebene -Österreichische Spuren in der amerikanischen Architektur der Moderne“, in der Kunsthalle Wien, leistet Otto Kapfinger als Kurator, zusammen mit Mattias Boeckl und Adolph Stiller, eine enorme Forschungsarbeit in amerikanischen Archiven. Die Ausstellung vereinigt eine Großzahl einmaliger Exponate und Originalmanuskripte, die, in Zusammenhang gebracht, einen ausgezeichneten Einblick in das Schaffen der führenden Architekten der zwanziger und dreißiger Jahre vermittelte und aufzeigte, wie groß der geistig kulturelle Verlust durch Nazizeit und Krieg für Österreich war. Die Erarbeitung einer Multi-Media-Darstellung auf CD-ROM ,,Visionäre im Exil“, einem völlig neuen medialen Feld, konnte sowohl konzeptionell als auch von den Texten her in hohem Maß von den außerordentlichen Fähigkeiten Otto Kapfingers profitieren. Seinen enormen Kenntnissen und seiner Formulierungsgabe verdankt diese CD-ROM einen guten Teil ihrer inhaltlichen Qualität, die Basis ihres derzeitigen internationalen Erfolgs. In extrem kurzer Zeit mußte sodann 1994/95 die Ausstellung ,,Architektur im 20. Jahrhundert Österreich“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt a.M. zusammengestellt werden. Als verantwortlicher Kurator, mit den Direktoren Wilfried Wang und Dietmar Steiner, sowie mit Adolph Stiller erarbeitete Otto Kapfinger in kürzester Zeit einen Überblick von großer Tiefenschärfe und repräsentativer Breite. Über den inhaltlichen Reichtum hinaus gelang eine Ausstellung, welche die hohe Qualität österreichischen Architekturschaffenstrefflich ins Ausland vermittelte und zugleich in der schwierigen Disziplin des Architektur-Ausstellens Maßstäbe setzte. Seine persönliche Bescheidenheit und Integrität sowie sein ruhiger Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern wirken sich auf das Arbeiten im Team derart positiv aus, daß Aufgaben bewältigt werden können, die andernorts einen größeren Mitarbeiterstab und mehr Zeit benötigen. Als Kritiker, Vermittler, Juror und nicht zuletzt als Wissenschafter hat Otto Kapfinger für Österreichs Architekturkultur Wesentliches vollbracht und eine wichtige Vorbildsfunktion erlangt. Sein sorgfältig abgewogenes Urteil gilt heute als wegweisend. Im Rahmen seiner Tätigkeiten war ihm auch die Entwicklung der zeitgenössischen Architektur in Niederösterreich ein wichtiges Anliegen; als Mitglied des Gestaltungsbeirats von Krems sowie des Vorstands von ,,ORTE – architekturnetzwerk niederösterreich“ trägt er mit Erfahrung und sachkundigem Rat zu einer Verbesserung des kulturellen Klimas und der Baukultur bei. Walter Zschokke