Otto Lechner

Musik
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Akkordeon-Virtuose mit Fingerspitzengefühl und Schmäh

Womit beginnt man am besten, wenn man über Otto Lechner schreiben soll? Am besten mit einem: „Danke, lieber Otto.“ Danke, dass du uns seit Jahrzehnten mit auf deine musikalischen Reisen nimmst, die sich zwischen Literatur, Theater und Jazz in die Welt hinausbewegen.

Und am besten setzt man danach in Niederösterreich fort: Ein waschechter Melker ist er, der Otto Lechner. Er hat es früh verstanden, die richtigen Knöpfe und Tasten zu drücken. Seit seinem 4. Lebensjahr spielt er Akkordeon – zunächst bei Schul- und Dorffesten, dann in Gast- und Kunsthäusern, im Rahmen von Tauf- und Sterbefeiern, für Schau- und Hörspiele, vor Wein- und Bildhauer:innen, als Ton- und Kleinkünstler, als Komponist und Pianist bei Puppen- und Tanztheatern und bei noch vielen anderen Gelegenheiten.

Seinen Schulkollegen Josef Hader begleitete er zum Beispiel bei dessen ersten Kabarettauftritten bei den Sprungbrett-Veranstaltungen des Kabaretts Niedermair. Otto Lechner sagt: „Aus diesem Gewirr von Eindrücken entsteht eine Tonsprache, die von Sentimentalität und deren Anfechtbarkeit handelt.“

Otto Lechner zählt gewiss zu den bedeutendsten und profiliertesten österreichischen Musikerpersönlichkeiten der Gegenwart. Er ist Akkordeonspieler, Komponist, Freund, Mensch, Vollblutmusiker – und Otto Lechner ist blind. Auf seiner Website lese ich, dass er sein Augenlicht bereits im Alter von 15 Jahren verlor, was ihn aber nicht daran hinderte, sich weiterhin musikalisch zu betätigen.

Dank seiner autodidaktischen Fähigkeiten erlernte er innerhalb kürzester Zeit verschiedenste Instrumente zu spielen. Und Wortwitz besitzt er, das muss man ihm lassen: „Seit Jahrzehnten blind im Dienste der Musik“ – als Slogan zu verwenden, ordne ich als spöttischen Humor ein, der mir bei jedem neuen Blick auf die Zeile ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Selbstironie ist nicht nur eine Kunst, sondern tatsächlich gesund.

Am 25. Februar 1964 in Melk an der Donau geboren, geht er seinen musikalischen Weg konsequent und trägt seine musikalische Vielfalt hinaus in die Welt. Er arbeitet mit Steve Bernstein, Dhafer Youssef, dem unvergessenen Georg Danzer und mit Kurt Ostbahn, mit Peter Rosmanith, Josef Hader, dem Theater ohne Grenzen, Melissa Coleman, Sascha Walz und Joe Zawinul – und er schreibt Musik zu Nestroy am Wiener Burgtheater, um nur einige aus der persönlichen Otto-Lechner-„Playlist“ zu nennen.

Ihm wird sogar nachgesagt, dass er das Akkordeon und vor allem das Akkordeonspielen hierzulande wieder populär gemacht hat. So populär, dass das Akkordeon plötzlich nicht mehr nur im volksmusikalischen Kontext zu finden war, sondern mit Otto Lechner am Instrument Musikstile und Musikwelten erforscht wurden, die vom Jazz über das Wienerlied bis hin zur Weltmusik reichen.

Welch hohe Reputation Otto Lechner im Ausland genießt, zeigte sich, als ihm für sein Akkordeon-Soloprogramm The Dark Side of the Accordion der begehrte National Radio Award der Australian Broadcasting Corporation verliehen wurde. Otto Lechner sagt über sich, dass er es vermag, seine Künstlerkolleg:innen zu kreativen Höhenflügen zu verführen – und bis dato hat er das abermals kräftig unter Beweis gestellt.

Otto Lechner gibt es solo, im Duo, in musikalischen Lesungen oder im Akkordeon-Quintett. Er spielt Avantgarde-Jazz und Walzer, liebt Kafka und meidet das Kabarett. Und er zählt zu jenen Musiker:innen, die von unbändiger Neugierde angetrieben sind und sich mit großer Experimentierfreudigkeit auf Neues einlassen. Er gehört zu jener Art von Künstler:innen, die stets auf der Suche nach Herausforderungen sind, zwischen verschiedensten musikalischen Genres tänzeln und reüssieren.

Auch wenn der Musiker und Komponist Otto Lechner seit 20 Jahren in Wien lebt, ziehen seine Wurzeln ihn immer wieder zurück nach Niederösterreich. Der Akkordeon-Virtuose hat 2022 erstmals im Waldviertler Kunsthaus Horn „sein“ vier­tägiges Musikfestival Invention and Memories realisiert und war mit 15 Freund:innen sowohl am Akkordeon als auch am Klavier sowie an der Orgel der Horner Piaristenkirche zu erleben.

Otto Lechner über seine Beweggründe: „Ich stamme aus einem kleinen Dorf und habe die integrative Kraft der Musik von klein auf erlebt. Ein Festival wie dieses in Horn bietet mir die Möglichkeit, mein vielfältiges Verständnis von Musik zu präsentieren: Ich war immer eine Art Dorfmusikant, immer habe ich mich bemüht, Musik in all ihren Phänomenen – alt oder modern, von gestern oder von morgen, wild oder gemütlich – zu verstehen und zu genießen. Insbesondere in dieser Zeit, in der sich vielleicht viele im Stich gelassen fühlen, kann Musik sowohl trösten als auch zeigen, wie nah sich scheinbar schwer zu vereinbarende Standpunkte oder Stile kommen können und sich nicht gegenseitig ausschließen müssen.“

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2022