Berufsbezeichnung: Musiker
„Vorbilder: keine oder jede gute Musik. Anregungen: durch Arbeit und moderne Literatur. Ziel: vor sich selbst bestehen zu können.“
So schreibt keiner eine aphoristische Selbstauskunft, der eben seine ersten Sporen als Komponist verdient hat. Keiner, der seine Kräfte erst kennen und gebrauchen lernen muss. Keiner, dem das Kokettieren mit materiellem oder immateriellem ,,Erfolg“ – und sei es im Unterbewußtsein – zuvorderst beschäftigt.
Apropos beschäftigt: die vielen Tätigkeiten des diesjährigen Musik-Förderungspreisträgers verdienen eine Auflistung:
Mitglied als Bratschist im Orchester der Wiener Staatsoper und der Wiener Philharmoniker (seit 1961). Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker (1969-1990). Präsident der Sektion Musiker in der Gewerkschaft für Kunst, Medien und freie Berufe (seit 1977).
Präsident der Osterreichischen Interpreten-Gesellschaft (seit 1972). Ja, und natürlich: Komponist (seit 1944: Opus 1: Zwei Inventionen für Klavier).
Aha, höre ich sagen, schon wieder so ein Multi, ein Amterkumulierer!
Jetzt ist wieder ein autobiographisches Zitat fällig:
„Die Umwelt war schon immer für mich eine Herausforderung. Sich niemals ihr anzupassen schien mir von größerer Bedeutung, als persönlich erfolgreich zu sein.“
Das lässt sich belegen.
September 1990: Paul Walter Fürst (er steht längst als Förderungspreisträger fest) lädt zu einem Internationalen Symposion auf Schloss Schlosshof. Themen: Das Wiener Horn, die Wiener Oboe, sowie die Heranbildung von Berufschoristen.
Wiener Oboe und Horn sind im Aussterben begriffen. Fürst ist Streicher, doch er sieht und hört dieses Phänomen (fast) täglich im Orchestergraben der Staatsoper. Dem Philharmoniker und dem Komponisten Fürst ist es nicht egal, was da passiert. So sinnt der Funktionär Fürst auf Abhilfe. Unter prominenter internationaler Beteiligung erhält das Prinz Eugensche Prunkschloß eine wichtige kulturpolitische Dimension: genauso, wie man das Schloss nicht gerettet haben soll, um es in Generationen ungenützt wieder dem Verfall preiszugeben, sollen auch Errungenschaften unserer Musikkultur nicht aus Anpassung und Bequemlichkeit stillschweigend verschwinden. Ob Fürst mit diesem Symposion ,,persönlich erfolgreich“ bleibt; ist abzuwarten, ist langfristig gesehen sogar unwahrscheinlich. Angepasst hat er sich seiner Umwelt nicht.
Nun aber endlich zum Komponisten Paul Walter Fürst:
Fürst liebt die Sprache, und hier insbesondere die moderne Literatur und Lyrik. Wissenschaftler wie Paul Chomsky und Musiker wie Leonard Bernstein haben uns auf so manche Eigenheiten der modernen Lyrik hingewiesen, die sie in die Nähe der Musik rücken, oder – anders gesagt – deutlich machen, dass Musik eine Sprache ist, keine Alltags- sondern eine Kunst-Sprache. Moderne Lyrik lässt häufig (in allen Weltsprachen) die Gesetze der Alltags-Semantik fallen wie der Schmetterling die Hülle, in der er als Puppe steckt. Bunt schillernd ist die neue Semantik: ein Spiel von Lauten, Farben, Klängen …
Und das scheint mir der Ansatzpunkt von Paul Walter Fürsts Musik zu sein. Seine Palette ist groß wie kaum eine andere: er lernt Violine, Klavier, Tuba und Posaune, singt im Chor, übt Improvisieren ebenso wie strengen Kontrapunkt, spielt in einer – wir würden heute sagen: kommerziellen U-Musik-Gruppe. Mit 25 Jahren wird Fürst Solobratscher des jungen NO Tonkünstlerorchesters, drei Jahre später wechselt er in derselben Funktion zu den Münchener Philharmonikern. In München gibt es jede Menge moderne Musik: er kann hören, lernen- und komponieren. Musiker und Ensembles kommen mit Aufträgen, und nach der Heimkehr nach Wien dasselbe Bild: ORF-Kammermusikvereinigung, Weller-Quartett, Wiener Streichtrio, Wiener Bläserquintett, Oktett der Berliner Philharmoniker. „Bei all diesen Ensembles machte sich eine enthusiastische Spielfreude bemerkbar, die den Komponisten mehr befriedigte als die beste Kritik“, schreibt Fürst. Und an anderer Stelle heißt es: „Wesentlich unterstützt … hat mich H. Scherchen, der mir einen Auftrag verschaffte mit der Auflage, Stellen Sie den Interpreten Aufgaben, fordern Sie sie auch mit mehr als einer Notenlesebeschäftigung heraus; es überträgt sich auf den Zuhörer.‘ – Lange Zeit danach bekam ich die Bestätigung, dass ich doch ein Komponist bin …. Aufnahmen in das Repertoire von sogenannten Hausmusiken haben mich ebenso erfreut wie die Verwendung einzelner Sätze bei Rezitationsabenden wider den Krieg …. “
Es ist einfach erfrischend, solche Sätze zu hören und zu lesen. Dabei auch noch zu wissen, dass sie von einem honorigen philharmonischen Professor stammen, dem Auszeichnungen und Ehrungen nichts Fremdes sind. Dass sich Fürst zudem zu seiner Wahlheimat Niederösterreich bekennt, beweist nicht nur das regelmäßig seit 1967 angebrachte ,,GD“ in der Rubrik ,,Entstehungsort“ seines Werkverzeichnisses (für seinen Wohnsitz Gänserndorf), sondern auch das Engagement für die nähere und weitere Umgebung, wie es sich etwa in den zitierten Symposien auf Schloss Schloßhof manifestiert: sie begannen schon im Vorjahr und sollen fortgesetzt werden.
Als Schlusswort sei ein Aufsatz von Herbert Vogg über Paul Walter Fürst zitiert: ,,… Musiker wird man nicht, sondern ist es oder ist es nicht. Dazukommen muss freilich auch hier, dass man die Begabung begreift und sie arbeitend akzeptiert. In Paul Walter Fürsts Reisepaß steht als Berufsbezeichnung: Musiker.“