Peter Erhart

Musik

Blick auf die Musikgeschichte

Hassarchäologen machen ihre Arbeit meist kostenlos als Dissertanten, als Musiker, die für ihr Ensemble neues Material suchen, die sorglos und fehlerhaft edierte Musikdrucke mit den Originalen vergleichen, die endlich wissen wollen, wie es den Schöpfern ihrer Werke erging. Peter Erhart hat auf eigene Faust, auf eigene Kosten in der Freizeit seines Tonkünstlerjobs die Arbeit zu einem niederösterreichischen Komponistenlexikon geleistet. Das Buch ist ein Blick aufdie niederösterreichische Musikgeschichte, wobei eben nicht der Blickwinkel Aufführungsorte, Auftraggeber oder ein spezielles Musikgenre gewählt wurde, sondern bei den Biographien begonnen wurde. Die drei großen Kapitel des Buchesallesamt aufsteigend chronologisch geordnet – sind ,,Komponisten in und aus Niederösterreich“ und „Die großen Meister in Niederösterreich“. Ein Anhang der benützten Literatur ist angefügt, zwar nicht jedem einzelnen zugeordnet, aber doch in jeder einzelnen nachgeprüften Tatsache nachvollziehbar. Das Buch reicht vom Benediktiner Wisigin Columban, der Anfang des 17. Jahrhunderts in Melk und Admont wirkte, es schließt als frühesten „Zuagrasten“ den gebürtigen Stuttgarter Paul Peuerl an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert ein und endet mit Wolfram Unger, dem 1983 verunglückten Komponisten aus Neunkirchen. Das heißt, noch lebende Komponisten oder Komponistinnenwurden ausgeschlossen. So schließt dasvon Bernhard Günther vom Mica herausgegebene Lexikon an das nun vorliegende Werk Peter Erharts an. Die einzigen beiden Kriterien für die Aufnahme in das Lexikon waren vorliegende Kompositionen und ein bereits abgeschlossenes Lebenswerk. Den einzigen Rat, den Peter Erhart von einem Musikwissenschaftler bekam, hat er gut beherzigt: ,,Glaube nichts.“ Und dieser Leitsatz ließ ihn im Fonds der Gesellschaft der Musikfreunde in Manuskripten recherchieren, in Adressbüchern und Totenbeschauprotokollen der StadtWien, in den Matrikelbüchern der niederösterreichischen Pfarrämter, in den Jahrbüchern der Musikausbildungsstätten, in Chroniken niederösterreichischer Städte und Festschriften niederösterreichischer Persönlichkeiten wie Institutionen. Die Periodika ,,Der Waldviertler“, die ,,NÖ Kulturberichte“, Reisebücher für Niederösterreich, Heimatbücher und Monatsblätter hat er studiert. Forschungsreisen führten ihn zu bis zu sechs Pfarrämtern an einem Tag, in die Stifte und Schulämter, zur Einsicht in die Chroniken und zu anderen Originalmanuskripten. Er glaubte auch renommierten Musiklexika nicht, wie dem Wurzbach, er konnte oft wiederholte falsche Daten widerlegen und unvollständige ergänzen. Das Buch ist ein Lesekompendium für Spaziergänger in Niederösterreich geworden, die auf der Perchtoldsdorfer Heide Franz Schmidts und Hugo Wolfs Wegen nachgehen, sie können in Krems den Geburtsort von Franz Liszts Mutter kennenlernen, in der Badener Pfarrkirche sich den jungen Mendelssohn spielend vorstellen oder Richard Wagner bei den ungarischen Gönnern aufderen Landsitz in Schwarzau am Steinfeld. Suppes Villa in Gars, in seinem liebsten Ort der Welt, ist noch zu sehen, Schönbergs Haus in Mödling eben renoviert. Jeder Leser kann in seinem Heimatort musikalische Spuren verfolgen – die Radlbrunner ihren Organisten Radl, die Gutensteiner ihren Gemeindearzt, Insektenforscher und Freizeitkomponisten Peter Kempny oder die Ottenschlager ihren Komponisten Franz Xaver Flamm, der der Uraufführung der Zauberflöte beiwohnte und nach Mozarts Tod Constanzes Rechtsvertreter war. Die Motivation für das Verfassen des Buches war das Ensemble Peter Erharts, in dem er mit seiner Frau, einer Cellistin aus dem Orchester und einem befreundeten Geigerkollegen Trioliteratur in der einst gebräuchlichen, heute seltenen Besetzung für zwei Geigen und Cello spielt. Zwei CD’s hat das „Tonkünstler-Trio“ mit Hilfe des ORF Landesstudio NÖ eingespielt. Seine Liebe gilt dem 18. Jahrhundert, für ganz spezielle Entdeckungen hält der Autor die MusikMarian Paradeisers undThaddäus Hubers. Letzterer, 1742 in Niederhollabrunn geboren, schrieb Streichquartette, in denen Joseph II. fallweise den Cellopart übernahm. Einer der berühmtesten ist wohl Kurt Manschinger, der 1902 in Wieselburg geboren wurde und nach seiner Emigration 1938 in den USA als Vernon Ashley Karriere machte.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2000