,,Ich liebe Nestroy maßlos“
Nestroy wird allerorten gespielt, steht in Niederösterreich seit vielen Jahren auf Burg Liechtenstein aufdem Programm, wird regelmäßig in Reichenau gespielt, aber keine Institution kann auf eine so lange Tradition hinweisen wie die Nestroy-Spiele in Schwechat. Und diese wiederum sind in den 29 Jahren ihres Bestehens untrennbar mit dem Namen von RegisseurPeter Gruberverbunden, dem dafür im Nestroy-Jahr 2001 der Anerkennungspreis
des Landes Niederösterreich verliehen wird. Peter Gruber, Wiener,Jahrgang 1946, ist Nestroy schon im Reinhardt-Seminar begegnet. Hier sang er unbefangen das ,,Kometen-Lied“ aus dem ,,Lumpazivagabundus“, ,,obwohl ich damals noch gar keine
Ahnung davon hatte“. Gruber spielte, auch noch am Seminar, schon unter Gustav Manker Nestroy und erinnert sich an seine Darstellung des Leim im Theater der Jugend, ,,dass ich vermutlich der Erste war, dem es gelungen ist, in dieser Rolle nicht fad zu sein.“ Seine Arbeit in Schwechat hat Peter Gruber dann zum Fachmann für ,,spannenden“ Nestroy gemacht. Bruno Dallansky, sein Lehrer im Reinhardt-Seminar, hat ihn 1972 mit dem ambitionierten Walter Mock (im Hauptberufhöherer Beamter) zusammengebracht, der mit einer Spielgruppe arbeitete: Er hat die Nestroy-Spiele ebenso begründet wie die Nestroy-Gespräche“, gibt Peter GruberWalter Mock die Ehre. Er selbst war dagegen von Anfang an der künstlerische Leiter des Unternehmens – „und ich bin es heute noch, obwohl ich periodisch alle fünf Jahre
damit aufhören will.“ Doch diesem Wunsch nach Veränderung hat Gruber bisher noch nicht nachgegeben, und so sieht er sich nun im 29. Jahr dieser Institution ,,fast erschrocken, dass es schon so lang ist.“ Denn damit hätte in den Anfängen ja doch niemand zu rechnen gewagt.Viel ist in diesen knapp drei Jahrzehnten geschehen, und Peter Gruber hat Nestroy, ,,den ich maßlos liebe, weil er so radikal ist“, in der Rothmühle in Rannersdorf bei Schwechat von allen Mascherln befreit, mit denen eine WienerAufführungstradition den Dichter jahrzehntelang geschmückt hat. Darüber hinaus hat er das Repertoire von dem halben Dutzend der immer wieder gespielten Stücke schier grenzenlos erweitert: Schwechat war der erste Ort, wo kühn in das gesamte Repertoire (rund 80 Werke des Dichters) hineingegriffen wurde, und Peter Gruber hat mehr als einmal die Spielbarkeit des als unspielbar Geltenden erwiesen. Bearbeitet wird bei ihm nur, ,,wenn ich meine, dass man die Sprache nicht versteht, weil man einfach gewisse Formulierungen nicht mehr kennt.“ Oder wenn er zu Recht meint, dass eine Aktualisierung im Sinne des Dichters liegen würde (wie in ,,Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab“). Im übrigen hält er an einem Purismus fest, der von Publikum und Presse hochgeschätzt wird. Bedenkt man, dass in Schwechat im Grunde immer noch „Laien“ spielen (wenngleich viele nun auch schon die Erfahrung von Jahren, ja Jahrzehnten mitbringen), so hat Peter Gruber mit diesen Voraussetzungen eine Nestroy-Pflegestätte von höchster Reputation herangebildet.
Für ihn selbst als Regisseur mag das nicht immer von Vorteil sein: ,,Man wird immer in eine Lade gesteckt und gilt als Spezialist“, meint er. Immerhin, als die Josefstadt den ,,Spezialisten“ holte, um im Dezember 2000 als Gabe zum kommenden Nestroy-
Jahr das selten gespielte Stück ,,Mein Freund“ (mit Helmuth Lohner und Fritz Muliar) zu inszenieren, konnte man einen triumphalen Erfolg verzeichnen. ,,Im übrigen aber muss ich nach Deutschland gehen, wenn ich auch anderes machen muss“, meint
Peter Gruber und verweist auf Inszenierungen in der vollen Bandbreite des Theaterrepertoires, von der „Antigone“ des Sophokles bis zu Nicky Silvers ,,Fette Männer im Rock“, von Büchners ,,Leonce und Lena“ bis zu Werner Schwab, und immer wieder Shakespeare, zuletzt ,,Was ihr wollt“. Es ist Nestroy in Schwechat, der Peter Gruber immer wieder in seine österreichische Heimat zurückholt, Jahr für Jahr ,,schrecklich viel Arbeit“ mit Recherchen und Proben, Jahr für Jahr aber auch das Gefühl, für den bewunderten Autor wieder ein Stück Terrain erkämpft zu haben.