Peter Gruber

Darstellende Kunst
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Nestroys Theatermacher

Schon zu Beginn der 1980er-Jahre schrieb die Zeitschrift «profil»: «Was Nestroy betrifft, ist Wien eine Vorstadt von Schwechat.» Und das, obwohl Nestroy Schwechat nur von der Durchreise gekannt haben dürfte. Auch dass sich Chrysostomos Überall in Nestroys Posse «Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab» «an der herrlichen Gegend zwischen Simmering und Schwechat nicht sattsehen kann», hat nichts damit zu tun, dass der Theaterfreund heute mit Schwechat weniger Flugreisen und Biergenuss verbindet als vielmehr die Erinnerung an exemplarische Aufführungen der Stücke Johann Nestroys. Das ist das nicht genug zu würdigende Verdienst von Peter Gruber. Mit den Schwechater Nestroy-Spielen schuf Peter Gruber als Regisseur, Intendant und Schauspieler in 37-jähriger kontinuierlicher und konsequenter Aufbauarbeit ein nicht kommerzielles Unternehmen im Rahmen des Theaterfests Niederösterreich, eine äußerst erfolgreiche niederösterreichische Kulturinstitution und damit ein Lebens- und Gesamtwerk, das in seiner Form einmalig ist. Nestroy war ein grandioser Satiriker, ein Meister des Worts und des Sprachspiels und ein scharfsichtiger Beobachter der Menschen und ihrer Zeit. Ein scharfer Beobachter ist auch Peter Gruber. Seine Regiearbeit zeichnet nicht nur aus, dass sie Nestroys Text möglichst wortgetreu bringt, sondern sie macht auch dessen Kritik an sozialen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in ihrer ungebrochenen Aktualität sichtbar. Peter Gruber vermeidet sowohl betuliche Biedermeierlichkeit als auch gekünstelte Gegenwartsbezogenheit. In der Art, wie er mit seinem hervorragenden Laienen semble arbeitet, lässt er den Zuschauer immer wieder neu entdecken, dass Nestroys Satire nichts von ihrer Kraft verloren hat. Dabei vergisst Peter Gruber nie, dass Nestroy seinem Publikum nicht nur einen Spiegel vorhalten, sondern es auch zum Lachen bringen wollte. Von den 35 Nestroy-Werken, die er seit 1973 zur Aufführung brachte, ist ein Gutteil an anderen Bühnen kaum oder gar nicht zu sehen. So sind seine Inszenierungen wichtige Impulsgeber nicht nur für ein zeitgemäßes Nestroy-Verständnis, sondern auch für die Nestroy-Forschung. Die die Spiele begleitenden «Internationalen Nestroy-Gespräche» führen alljährlich die bedeutendsten Nestroy-Wissenschaftler aus aller Welt in Schwechat zusammen und ermöglichen so den für beide Teile fruchtbaren Dialog von Forschung und Theaterpraxis. Für die nunmehr abgeschlossene historischkritische Ausgabe der Werke Nestroys, die Wendelin Schmidt-Dengler 2001 als «die bedeutendste editorische Leistung, die Österreich im 20. Jahrhundert vorzuweisen hat», bezeichnete, war dieser Dialog unverzichtbar. Das von Peter Gruber ins Leben gerufene Internationale Nestroy-Zentrum Schwechat wuchs unter seiner Leitung zur ersten Adresse in Sachen Nestroy heran. Darüber, dass Peter Gruber solcherart für Nestroy in Niederösterreich einen lebendigen und nachhaltigen Platz schuf, wie es in ganz Österreich keinen vergleichbaren für einen anderen Dichter gibt, darf nicht vergessen werden, dass er auch als Regisseur und Schauspieler an vielen großen und kleineren Häusern im In- und Ausland tätig war und ist. Die Bandbreite der von ihm interpretierten Autoren reicht von Sophokles über Büchner bis zu Horváth, Kroetz und Schwab. Zudem ist er bis heute auch als Gastprofessor an verschiedenen Hochschulen (unter anderem am Max-Reinhardt-Seminar Wien) tätig. Peter Gruber selbst sah allerdings in seinem Schwechater Wirken stets einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Die Idee, gerade in Niederösterreich, der Heimat seines Vaters, ein Zuhause für Johann Nestroy zu verwirklichen, war und ist ihm noch immer Herzensangelegenheit. Verdienterweise reiht sich an seine Auszeichnungen – von der Kainzmedaille (1974) bis zum Max-Reinhardt-Preis und dem Publikumspreis beim Theatertreffen Essen (2002) – nun der Kulturpreis des Landes Niederösterreich.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2009