Peter Skorpik

Musik

Durch Stimmungen korrespondieren

Geboren wurde Peter Skorpik 1959 in Linz. Aufgewachsen ist er in Waizenkirchen. Die Eindrücke, die er erhielt, blieben prägend. Auch heute, wo er mittlerweile Gießhübl zu seinem Wohnsitz erwählt hat, kann er sich nicht vorstellen, woanders als auf dem Lande zu wohnen. Die hier erfahrene Weite der Flächen spiegelt sich freilich auch im kompositorischen Schaffen Skorpiks wider, denkt man an die langsamen, großen Entwicklungen, mit denen er seine Werke stets einleitet.
Seinen ersten prägenden Kontakt mit Musik erhielt Skorpik mit sieben Jahren. Nachdem die Familie auf Grund eines berufsbedingten Wechsels des Vaters, eines Diplomingenieurs, nach Perchtoldsdorf gezogen war, begann er an der dortigen Musikschule Klavier zu lernen. Das Üben machte ihm Spaß, und so brachte er es hier rasch zu einiger Fertigkeit. Bald gesellte sich zum Klavierspiel ein weiterer „innerer Zwang“, wie es Skorpik heute sieht: das Schreiben von Songs. Mit 16 hatte er dann eine eigene Band und bald später auch ein Aufnahmestudio, wo er im Playback-Verfahren nicht selten 4- bis 6 stimmige Chöre aufnahm. Denn Singen bedeutete ihm bald gleich viel wie Klavierspiel. Die steigenden Anforderungen in der Mittelschule brachten vorerst eine Zäsur Skorpik beendete sein Klavierstudium, konzentrierte sich auf die Matura und inskribierte anschließend Architektur an der Technischen Universität Wien.
Aber schon rasch erkannte Skorpik das Problematische dieses Schrittes. Und anstelle die vorgeschriebenen Vorlesungen zu besuchen, begann er sich intensiv mit dem Stil des französischen Chansons auseinanderzusetzen – nicht zuletzt angeregt durch die Bekanntschaft mit Christian Leclerc, einem französischen Chansonnier, dessen Begleiter er dann durch zehn Jahre wurde.
Vor die Frage gestellt, wie sich denn die frühe Chansonstradition mit zeitgenössischen Techniken zeitgemäß fortsetzen ließe, erkannte Skorpik bald, dass ihm das handwerkliche Können fehlte, um dieser kompositorischen Ambition gerecht zu werden. Also ließ er das nie wirklich ernsthaft betriebene Architekturstudium bleiben und wandte sich ab 1980 – anstelle dessen dem Tonsatz- und Kompositionsstudium an der Wiener Musikhochschule zu.
Hier war Skorpik ausschließlich Schüler von Paul Kont. Ihm verdankt er vor allem sein handwerkliches Können. Skorpik hat sich Kont aber auch deshalb zu seinem bestimmenden Lehrer erwählt, weil er wusste, dass Kont stets offen für alle Stile war und niemandem einen spezifischen Stil aufdrängte. Nebstbei sang Skorpik auch noch im Wiener Jeunesse-Chor unter Günther Theuring und erhielt so mehrfach Gelegenheit, mit wichtigen Interpreten und Komponisten zusammenzukommen. 1985 schloss Skorpik, der bereits im Jahr zuvor eine Stelle als Lehrer für Klavier und Musiktheorie an der Franz-Schmidt-Musikschule in Perchtoldsdorf angenommen hatte, sein Musikhochschulstudium erfolgreich ab.
„Ich will Stimmungen, innere Regungen ausdrücken und damit mit dem Publikum korrespondieren“, beschreibt Skorpik seine grundsätzlichen Ambitionen als Komponist. Als erklärter Verehrer der Kontrapunktik Johann Sebastian Bachs geht es ihm darum, dass „jede Stimme sangbar“ ist. Wie er überhaupt den Formenkatalog des Barock überaus schätzt. Kombiniert freilich mit einer durchaus von Strawinsky inspirierten, variantenreichen Rhythmik, die ,,dramatische Entwicklungen zulässt.“ Musik, die bloß durch ihre Konstruktion besticht, lehnt Skorpik ab. Musik, so ist er zutiefst überzeugt, muss wirkliche Spannung suggerieren können, Emotionen aufbrechen, eben ,,Atmosphären weitergeben können.“ Folgerichtig nennt Skorpik denn auch noch zwei weitere, für sein Oeuvre wichtige Komponisten Schönberg und Brahms. Wobei ihn beim Ersten das Espressivo seiner Opera fasziniert, während es die Verflechtung von dichtester Kontrapunktik und schwermütiger Attitüde ist, die ihn bei Brahms so besticht. Immerhin charakterisiert sich Skorpik auch selbst als ,,eher traurig und von etwas Pessimismus erfüllt.“
Skorpik lässt sich bewusst Zeit für sein Schaffen, das derart erst ein knappes Dutzend Opera umfasst – die frühen Songs und Chansons hier freilich nicht miteingerechnet. So etwa eine nach barockem Suitenbeispiel gearbeitete Suite für Stabinstrumente „Terpsichore“, eine auf einem Zitat von Mahlers 2. Symphonie bauende Klaviersonate oder auf einem Baudelaire-Gedicht basierende symphonische Dichtung ,,Der frohe Tote“, die gleichermaßen komplizierter Kontrapunktik wie dem Zwölftonmodell verpflichtet ist. Nicht zu vergessen ein Concerto für Violine, Viola und Streicher, das formal an Bachs Violindoppelkonzert in d-Moll anknüpft, klanglich aber einem romantisierenden Ton huldigt, oder das die Formen von klassischer Symphonie, Variation und Konzertkombinierende Klavierkonzert, von Skorpik beziehungsvoll ,,Variations-Symphonie für Klavier und Orchester“ betitelt.
Skorpiks künftige Pläne kreisen um ein Streichorchesterstück, von dem einstweilen nur feststeht, dass es auch eine Fuge besitzen wird, sowie um eine Kammeroper, die eine skurrile Vampir-Geschichte zum Sujet haben könnte.
Die ,,Konzentration auf alte Formen, auf Expressivität und Dramatik“ nennt Skorpik als Charakteristika seines Stils, von dem er überzeugt ist, dass er eine entsprechende Antwort auf die musikalische Zukunft bietet. Zeige sich doch längst ein Weggehen von Klangflächen und Experimentieren und eine bewusste Hinwendung zu einfacheren, klarer überschaubaren Formen – zu Modellen also, die selbst ein skeptisches Publikum zum Korrespondieren mit dem Komponisten einladen. Ganz, wie es Peter Skorpik, der mit seinem Werk bisher vor allem in Niederösterreich und Wien reüssierte, vorschwebt.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1994