Peter Tscherkassky

Medienkunst
Experimental- und Animationsfilm
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Manufraktur – vom Found Footage bis zum Laserpointer

Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist Peter Tscherkassky in Mistelbach. Dort hat Tscherkassky auch, wie er erzählt, seine filmische Sozialisation erfahren, nur wenige Meter neben seinem Elternhaus, nämlich im «Lichtspieltheater» des Gasthauses «Zur Goldenen Krone». Insbesondere die «Winnetou»-Filme von Harald Reinl haben einen tiefen Eindruck hinterlassen und eine Liebe zum Film begründet, die Peter Tscherkassky nie mehr verlassen hat. Sein eigener Weg zur Filmpraxis führte über die Theorie: Tscherkassky studierte Philosophie in Wien und Berlin. In Berlin war es auch, wo er 1979 mit dem Super-8-Format seine ersten filmischen Experimente realisierte. Sechs Jahre später folgte der erste 35mm-Film, «Manufraktur». Das war zugleich der erste mit gefundenem Filmmaterial, sein erster «Found Footage»-Film, hergestellt in jener Dunkelkammer, die er sich als Jugendlicher im elterlichen Haus in Mistelbach eingerichtet hatte. Parallel zur filmischen Praxis vertiefte sich Tscherkassky immer mehr in grundsätzliche Fragen der Kunst und der Ästhetik des Kinos; 1986 schloss er sein Philosophiestudium mit der Dissertation «Film als Kunst: Zu einer kritischen Ästhetik der Kinematographie» ab. Was folgte, waren eine Unzahl an Texten, die der Geschichte und Theorie des Avantgardefilms gewidmet waren. Aber nicht nur auf publizistischem Weg bemühte sich Tscherkassky um die Verbreitung des künstlerischen Films. Seit Mitte der 80er-Jahre organisierte er auch Filmvorführungen, um die sogenannte «Dritte Generation» der österreichischen Avantgarde bekannt zu machen, veranstaltete Symposien, und stellte, nach der Gründung von «Sixpack Film» im Jahre 1991, internationale Tourprogramme zusammen. 1993 schließlich wurde er von Rudolf Scholten zum künstlerischen Leiter der «Diagonale», dem Festival des Österreichischen Films, berufen. Der internationale Durchbruch als Filmkünstler kam 1999: mit seinem Film «Outer Space». «Outer Space» ist ebenfalls ein Werk aus gefundenem Filmmaterial, ein zehnminütiges Destillat aus einem Hollywood-Horrorfilm. Zu mehr als 80 Festivals wurde «Outer Space» weltweit eingeladen und auf diesem Triumphzug wurde der Film mit nicht weniger als 18 Preisen ausgezeichnet. «Outer Space» ist Teil zwei der sogenannten CinemaScope-Trilogie. Nachdem auch Teil drei – «Dream Work» –über 11 Preise errungen hatte, darunter den Grossen Preis von Oberhausen, kamen aus aller Welt Einladungen zu Retrospektiven, darunter auch zu einer umfassenden Retrospektive in der Cinémathèque Française – mit Menschenschlangen vor der Kinokasse und ausverkauften Vorstellungen. Und schließlich hat selbst Cannes gerufen. Als wohl erstem Hard-Core-Avantgardisten gelang es Peter Tscherkassky, selbst im Herzen der europäischen Filmindustrie Erfolg zu lukrieren. Wie so etwas möglich ist, hat der Kulturchef des profils, Stefan Grissemann, einmal so beschrieben: «Der Aufstieg ist ästhetisch nachvollziehbar: die Arbeiten der Trilogie faszinieren, im Vergleich mit früheren Werken Tscherkasskys, durch ihre entschieden erhöhte Zugänglichkeit bei gleich bleibender künstlerischer Komplexität; sie faszinieren direkt, sind auch ohne Umweg über den theoretischen Mehrwert, den sie dennoch bergen, erreichbar und nachvollziehbar.»Sein kleines Studio, oder seine «Filmmanufraktur», wie er es nennt, hat sich Peter Tscherkassky mittlerweile im südlichen Weinviertel, im kleinen Dorf Enzersfeld eingerichtet. Mittels einer aufwendigen handwerklichen Kopiertechnik belichtet der Künstler bis hin zum Einzelkader neu und erzielt mit einem Laserpointer als wichtigstes Werkzeug seine flackernden, visuell aufregenden Hervorhebungen. Und dort bastelt er nun, umringt von jeder Menge Grünem Veltliner, an seinem neuen Film. Wir wünschen uns, dass dieser Würdigungspreis ihm Ansporn sein möge!

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2003