Ragnhild Rod

Bildende Kunst

Grenzlinien verwischen

Textilkünstler sind noch weitgehend von staatlichen und privaten Förderungsprogrammen ausgeklammert. Dieser Umstand findet sich in der kunsthandwerklichen Disziplin und ihrer Geschichte begründet, die sich durch eine fast sklavische Abhängigkeit von der Bildkunst auszeichnet. Erst in den 50er Jahren wird die Trennung von Künstler und Weber gänzlich aufgehoben, aus dem Handwerk eine künstlerische Technik entwickelt. Der Konflikt von künstlerischem Anspruch und handwerklicher Tradition sowie die daraus erwachsende emanzipatorische Kraft spiegeln sich im Schaffen der Preisträgerin.
1946 im norwegischen Halden geboren, absolvierte Ragnhild Rod in Oslo, Stockholm und Wien Studien, die sie mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Textilgestaltung vertraut machten. Rod ist seit 1976 Mitglied der Gesellschaft bildender Künstler in Wien und bekam 1982 den Theodor Körner-Preis verliehen. Nach der Heirat mit einem Nelkenzüchter lebt und arbeitet sie in Tulln.
Der Funktionszusammenhang ihrer Werke ist klar umrissen. Das behagliche Material soll sich als Bindeglied zwischen die oftmals kalte, kubische Architektur und dem Menschen einfügen. Dabei gelingt es Rod durchaus, den kunsthandwerklichen Rahmen zu sprengen. Sie überträgt sinnliche Reize der Olmalerei in ein anderes Medium, verwischt mit virtuoser Technik Grenzlinien. Die Oberfläche ihrer Textilbilder ist oftmals reliefiert, wirkt wie pastoser Farbauftrag, ohne die Stofflichkeit des Materials ganz zu negieren. Bei der Umsetzung am Webstuhl gewinnen die Werke an Materialstruktur und Wärme, ohne den sehr unmittelbaren Farbeindruck zu verlieren. Dieser zeigt eine Vorliebe für Grün- und Brauntöne, die dem Textilverband sehr differenziert eingefügt sind.
Themen der Textilbilder sind oft Natureindrücke. Hier wird ein scharfer Realismus bewusst vermieden, Gesehenes nicht projektiv auf die Fläche gebannt. Das Erscheinungsbild wird poetisch umgesetzt, Natur als fast abstraktes Formengefüge verstanden. Landschaftsaspekte im Oevre der Künstlerin sind selten gegenständliche Motive. Häufiger werden organische Formen und Farben als-Ausdrucksträger eingesetzt. Daneben visualisiert sie Naturvorgänge, wie Wind oder Wachstum. Jahreszeitenbilder greifen Farbreize und Lichtsituationen zur Charakterisierung auf, vermitteln Stimmungslagen.
Rod vermeidet bewusst alles Triviale, das der Tradition ihrer handwerklichen Spielart anhaftet. Durch den Verzicht auf Realismus, Ornament und gefällige Bildaccessoires leistet sie einen bedeutenden Beitrag zur Aufwertung der Textilkunst.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1990