Stimmenromane
Rückwärts schauend dem Leben auf die Spur kommen: Unter diesen Gesichtspunkten hat der in Neudorf bei Staatz geborene niederösterreichische Schriftsteller Reinhard Wegerth in seinen letzten beiden Romanen (die als «Stimmenromane» deklariert wurden) eine ungewöhnliche Erzählperspektive eingenommen. Der gelernte Jurist, der in Mödling aufgewachsen ist, hat sich seit Mitte der 1970er Jahre von mehreren Seiten dem Schreiben genähert; sei es als Gründer eines Literaturmagazins, als Feuilletonist, als Redakteur von Schülerzeitschriften, als Lektor, als Herausgeber und Mitbetreuer von Anthologien, als Redakteur und Moderator beim Lesungsveranstalter «Alte Schmiede» – und, nicht zuletzt, als Autor von Romanen und Hörspielen.
Jemand, der den Literaturbetrieb aus so vielen Blickwinkeln kennt, hat sich nun, in seinen letzten beiden Werken «Damals und dort» (2010) und «Früher und hier» (2013, beide erschienen im Sisyphus Verlag) dem Rückblick verschrieben – einem Terrain, in dem allzu oft in die Fallen Kitsch, Selbstverliebtheit und Kritiklosigkeit getappt wird.
Wegerth entstammt einer Altersstufe, in der vor allem Männern das Recht abgesprochen wurde, Gefühle zu haben, geschweige denn,diese auch noch kundzutun. Umso interessanter lesen sich seine Miniaturen auch als Einblicke in eine Generation, der mehr peinlich war, als ihr gut tat. Was bei Rückblicken oft dem blinden Fleck zum Opfer fällt, beleuchtet Reinhard Wegerth mit Humor und Akribie – bis in die gut versteckten Winkel und Ecken des Lebens, wie etwa das Scheitern in Liebessachen, die erste Sexualität oder spätpubertärer Drogenmissbrauch.
Reinhard Wegerth navigiert gekonnt durch das Terrain der selbstreflexiven Nostalgie. Auf seine Jugend und spätere Lebenszeit zurückblickend, verwebt er scheinbar Alltägliches mit weltbewegenden Begebenheiten und schrieb einen Text, der auch seitens der Literaturkritik großen Zuspruch fand. Dass sich jemand die Gratwanderung der kritischen Erinnerung antut und dann auch noch die Balance hält – das ist Reinhard Wegerth doppelt hoch anzurechnen.