Renate Krätschmer und Jörg Schwarzenberger

Bildende Kunst

K.U.SCH. – Kreativität als Lebens-(re)form

Renate Krätschmer und Jörg Schwarzenberger, beide 1943 in Wien geboren, leben seit 1978 in Niederösterreich. Seit 33 Jahren überschreiben sie ihr gemeinsames künstlerisches Schaffen mit dem Namen K.U.SCH. (renate Krätschmer Und jörg SCHwarzenberger). Beide studierten an der Hochschule für angewandte Kunst, Jörg Schwarzenberger bei Hans Knesl Bildhauerei, Renate Krätschmer bei Carl Unger Malerei. Ihre ersten künstlerischen Arbeiten beschäftigten sich mit ,,land art“ (Kreta 1966, Krk 1970, Lindabrunn 1967 und 1970) und „Konzeptkunst“, zwei Stationen eines Weges, der seit 1966 im Hinblick auf eine Erweiterung des an der Kunsthochschule Erlernten zum angestrebten gesellschaftsverändernden Gesamtkunstwerk beschritten wurde. Die Beschäftigung mit ,,land art“ erfolgte zu einer Zeit, wo diese in Europa erst geringe Verbreitung fand. Die Wertschätzung für „primitive“ Kulturen und deren kultische Gestaltungen der Landschaft wird z. B. auf Krk in den aus Steinen gebildeten Geländearbeiten deutlich, die an vorislamische Graban lagen in No rd a fri ka e ri n n e rn . Die im Kultisch en verwurzelte Landschaftsgestaltung lieferte entscheidende Impulse für das weitere Schaffen. 1969 gründeten die beiden Künstler die ,,Visuelle Werkstatt Wien“, seit 1974 sind sie Mitglied der Wiener Sezession. „Mail-art“ (künstlerischer Gedankenaustausch über räumliche Grenzen hinweg) und Kontakte zu anderen Künstlergruppen (fluxus, Neodadaisten) öffneten ihnen neben zahlreichen Ausstellungen in so bedeutenden Galerien wie der Galerie nächst St.Stephen (1972, 1977) oder der Neuen Galerie in Graz (,,merkzeuge und sinn halte“ 1977) schon früh den Bezug zu einer breiten Öffentlichkeit. Stellvertretend für die vielen späteren Ausstellungen seien jene in der Wiener Sezession 1980 (,,Über das männliche und weibliche Prinzip“), in der Neuen Galerie in Linz und dem NÖ Landesmuseum 1984 (,,Adam und Eva – so wie Anfang und Ende“) und in der Blau-Gelben Galerie 1993 („Eine Tapetologie“) genannt. Die Auseinandersetzung mit dem Film als künstlerisches Medium reicht vom Naturfilm über den Dokumentar- und Environmentfilm (,,Tanzboden“ -eine Rauminstallation) bis zum experimentellen Animationsfilm. 1977 gründeten K.U.SCH. den ,,Zirkus der Kurpfuscher“ und veranstalteten Animationen mit Freunden, Schülern oder interessierten Passanten. Ihrem Interesse für philosophische Fragen folgend, traten sie 1978 der ,,Gesellschaft logischer Kunst“ bei. Daß die Künstler eine Lebens- und künstlerische Arbeitsgemeinschaft eingingen (Heirat 1968, Gründung von K.U.SCH. 1972), ist mit ein Grund dafür, daß die Grenzen zwischen Kunst und Alltag in ihrem Werk meist aufgehoben scheinen. Das eine ist auch immer Motor des anderen, die Frage „Kunst oder Nicht-Kunst?“ wird irrelevant. Auch ihr Leben auf einem Bauernhof in Kirnberg an der Mank, wohin sie 1978 übersiedelt waren, wurde so zu einem Teil ihres künstlerischen Werdeganges. Zurückgezogen auf einfache und wesentliche Tätigkeiten des bäuerlichen Lebens – in dem sie eine ,,intime Form von Gesamtkunstwerk“ erkennen -, entstanden Objekte, die eng mit der Landschaft und ihrer Nutzung verbunden sind und zum Teil kultischen Charakter haben. Der Garten wurde zu einem der wesentlichen Gestaltungsfelder. Zugleich entstanden Objekte und Gebrauchsgegenstände, die in künstlerische Konzepte eingebettet zu sein scheinen, wie sie im holländischen „De Stijl“ oder im „Bauhaus“ zum Ausdruck gebracht wurden. Eine Ästhetisierung des Alltags tritt hier nur insoweit auf, als die Kunst in ihrer Thematisierung des Alltags auf diesen zurückwirken soll. Vieles im Werk von K.U.SCH. beschäftigt sich mit der Transformation des Alltäglichen, in der Widersprüchliches als Einheit zusammenfließt. Auch die scheinbare Banalität des Lebens wird tals Teil kreativen Schaffens definiert: 1979 zeigte Renate Krätsch mer Familienfotos, Selbstgestricktes und ein Babyvokabular. Freie Kreativität als ,,ein sich auf jede vorstellbare Art von Tätigkeit erstreckendes Prinzip der Anteilnahme, der Identifikation mit der Auseinandersetzung – Den Sinn für zusammenhänge gewinnen aus dem Zusammenhang der Sinne“ (K.U.SCH., 1977). Neben „Ritualstäben“ entstehen in dieser Zeit erstmals „Masken“ als Symbole der Ver-und Entfremdung des Individuums. Diese sind einer der künstlerischen Schöpfungen, die als Schnittstellen zu einer gesellschaftlich relevanten, erzieherischen Kunstform fungieren. ,,Entfaltung von Empfinden, Denken und Handeln zu einer Ganzheit“ wird für K.U.SCH. zum Ideal einer freien Kreativität zwischen den beiden Polen ,,Kunst als Forschung“ und ,,Kunst als Spektakel“. Die Kritik der Arbeiterzeitung (17.2.1970) an Jörg Schwarzenberger, daß seine Arbeiten ,,mehr Spielerei als Kunst“ seien, kann so nur als Bestätigung der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges gedeutet werden. Daß auch Humor eine wesentliche Funktion in der Erkenntnis von Hintergründigem hat, bewiesen die Künstler am deutlichsten mit sogenannten ,,absurden Gegenständen“,wie sie etwa in den Ausstellungen ,,Das männliche und das weibliche Prinzip“ 1980 in der Wiener Sezession oder ,,Adam und Eva – so wie Anfang und Ende“ 1984 in der Neuen Galerie der Stadt Linz und im NÖ Landesmuseum ausgestellt wurden. Gegenstände, deren Form den Dingbezeichnungen folgen, die sich mit vorderund hintergründigem Wortsinn beschäftigen und die Kausalbeziehungen und gewohnten Ordnungen außer acht lassen, wurden in technisch perfekter Ausführung konstruiert. In einer weiteren Bedeutung verweisen die paradoxen Objekte in ihrer phallischen oder vaginalen Form auf die sexuelle Motivation in der dinglichen Gestaltung, zeigen weibliche und männliche Sexualsymbole in einem ungewohnten Zusammenhang. K. U .SCH. führten die rituellen Begehungen, wie sie in der ,,land art“ zelebriert wurden, zurück in den urbanen Raum. In einer ,,Prozession als Ritual zur Annäherung an das Fremde“ (Prozessionstheater, aufgeführt 1988 in Krems, 1990 in Schloß Lengenfeld, 1992 bei der Albertina in Wien) werden unter anderem Menschen, die wegen ihres Fremdseins verfolgt und getötet wurden, als Märtyrer vorgestellt. Die Verfolger werden als jene erkennbar, die nicht bereit oder fähig sind, ihre Rolle aufzugeben und das Ich hinter den verschiedenen Masken zu entdecken. Die Masken des eigenen Ichs, das Fremdsein sich selbst gegenüber zu erkennen, war letztlich ein Ziel der Prozessionen. Hier wird auch der Anspruch der Künstler deutlich, kreatives Entfalten therapeutisch zur Objektivation der eigenen Persönlichkeit einzusetzen. Die angestrebte Projektion von Kunst als Bezugsfeld des Lebens wird auch in der Installation ,,Kultstätte Wohnraum – wohnen zwischen Askese und Ekstase“ (1987) deutlich. Das Archaische wird zum bestimmenden Bezugsfeld für die Aktionen und kultischen Dingfindungen. Die vor allem Begrifflichen liegende Anschauung wird als ganzheitliche Sicht der Welt vorgestellt. Weil Erziehung in der Überwindung der verbindenden ganzheitlichen Sicht zu einer isolierenden Abstraktion führt, wird ein Weg gesucht,der den Erzogenen die Abstraktion als solche zu erkennen lehrt und ihn wieder an die Ausgangspunkte seiner Welterfahrung führt. Die „Pforte“ (1990) markiert – vor einem keltischen Kultstein gesetzt – einen möglichen Rückschritt. Bezugsfelder in Räumen werden zu Experimentalflächen der Imagination. Am deutlichsten manifestiert sich der erzieherische Impetus des Künstlerpaares in den Werken, die in unmittelbarer Nähe von Stätten der Erziehung verwirklicht wurden. 1975 entstand eine Arena („Terrassenplatz“) als idealer Kommunikationsort für die Schüler der Volksschulen Wassermanngasse in Wien. 1978 realisierten sie eine ähnliche Geländegestaltung im Wohnpark Aderklaärstraße in Wien. Zweckgebunden eingesetzte Materialqualitäten von Stein und Holz werden neben der architektonischen Ur-Form zu wichtigen Parametern dieser Werke. 1989 verdeutlichten sie in Objekten vor dem Kindergarten und der Volksschule in Gerasdorf-Kapellerfeld elementare Entwicklungsschritte des Bauens, Gestaltens und Erfindens: ,,Windradpendel“, „Giebelformationen“, „2 vertikale Zeichen“ (Türme aus Bausteinen), ,,Spalt und Bogen“ und „Kleiner runden Tempel“ (bestehend aus Mauerflächen, Zylindern und Kugeln). Im Kindergarten Gerasdorf verwirklichten sie schließlich eines ihrer künstlerischen Hauptziele, das Ineinandergreifen von Kunst und Leben sichtbar und erlebbar zum Ausdruck zu bringen: Eine Plastik, die gleichzeitig Haus ist oder umgekehrt. D6en Weg der Abstraktion beschreiten die Künstler, um mit bildlichen Gleichnissen eine Annäherung an das Verständnis der Unteilbarkeitvon Erklärbarem und Nicht-Erklärbarem zu geben. Neben der Einsicht der Zusammengehörigkeit von Kunst und Leben versucht ,,das denkend und empfindend handelnde Paar“ (Sotriffer) auch zwischen Realem und Irrea lern zu vermitteln. K.U.SCH. wählen für die Findung von Hintergründigem nicht die Isolation einer orgiastischenrituellen Aktion oder die zwanghafte Rationalisierung. Die Kunst von K.U .SCH. wendet sich vielschichtig an den Verstand und an das Gefühl, verlangt logisches Denken und bietet sinnlich Erlebbares und intuitiv Erfaßbares – spielerisch Einbeziehung und kontemplative Betrachtung fordernd – als Ergänzung zur erstrebten Erfahrung des Ganzen an. Das Apollinische und das Dionysische werden nicht als voneinander streng abgegrenzte Gegensätze gesehen. Die von den Künstlern geformte Dingwelt definiert den Bezugsrahmen für die Fragen und die Suche nach einer Weltganzheit. K.U.SCH., die in der Kunst den Charakter einer ,,Ware, Botschaft, Phantasieentwicklung, Anspielung, Erfindung, In-Frage-Stellung, Provokation, Rebellion, Irritation, Experiment, Instrument, Exkrement“ erkennen, schaffen im Lauf von mehr als drei Jahrzehnten Zeichnungen, Collagen, Objekte, r a u m p la sti s c h e A r c h i te ktu re n , La n d s c h a ftS architekturen, Möbel, Kostüme, Bühnenbilder (z.B. für ,,Der Duft der Frauen“ von Johannes C. Hoflehner, 1991, ,,ROST oder Das Denken ist immer“ von Jürg Läderach, 1991), absurde (oft humorvolle) Gegenstände, Raumkonzepte, Installationen, Aktionen, Animationen, Performances, Musik, Collagen und Schriften. Anders als bei vielen anderen bildenden Künstlern ist auch die Sprache ergänzendes Ausdrucksmittel zu der kreierten Dingwelt. Sprache ist Teil der theatralischen Inszenierung aller Aktionen, die zusätzlich von detaillierten schriftlichen Programmen inhaltlich bestimmt werden. Sprache wird auch zum Thema der bildenden Kunst. Dies geschieht nicht nur in Objekten wie der ,,Wortschatztruhe -Treibhaus der Sprache“ sondern auch in Installationen. Im ,,Tempel der ambivalenten Gefühle“ (1993) – einem Ort, an dem vertraute Zeichen verschieder Epochen des Abendlandes in einen neuen Sinnzusammenhang treten – bestimmt ein Satz Ludwig Wittgensteins die Grenzen verbaler Deutungsmöglichkeit und den Ursprung der Mystik: ,,Das Unaussprechliche ist – unaussprechlich – in dem Ausgesprochenen enthalten.“ Dem Enthusiasmus, mit dem das Künstlerpaar seine Ziele verfolgt, liegt eine idealistische, philanthropische Haltung zugrunde. Diese wird sowohl im Werk als auch in der Indienststellung des Werkes für aufklärende Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragen deutlich. Dem Anspruch, mit der ästhetischen Gestaltung der Umwelt die Erkenntnis des Menschen zu erweitern und ihn ethisch zu einer höheren Stufe zu führen, konnten die Künste nur selten gerecht werden. Daß es sich trotzdem lohnt, dies zu versuchen, werden uns K.U.SCH. hoffentlich noch lange unter Beweis stellen. Wenn wir das vielschichtige Gesamt(-Kunst-) werk von K.U.SCH. unter ein gemeinsames Motto stellen wollen, so kann dieses vor allem in der Art der ästhetischen Aneignung gefunden werden: die Überwindung des Fremden, das Streben nach Selbst-
bestimmung und das Verständnis für die großen Zusammen hänge sind am Ende diese Jahrtausends
wichtige, wenn auch nicht neue Themen der Kunst,
die es verdienen, in jener humanistischen Art
aufgegriffen zu werden, wie dies durch Renate
Krätschmer und Jörg Schwarzenberger geschieht.
stellen wollen, so kann dieses vor allem in der Art
der ästhetischen Aneignung gefunden werden: die
Überwindung des Fremden, das Streben nach Selbst-
bestimmung und das Verständnis für die großen
Zusammen hänge sind am Ende diese Jahrtausends
wichtige, wenn auch nicht neue Themen der Kunst,
die es verdienen, in jener humanistischen Art
aufgegriffen zu werden, wie dies durch Renate
Krätschmer und Jörg Schwarzenberger geschiehtDem Anspruch, mit der ästhetischen Gestal-
tung der Umwelt die Erkenntnis des Menschen zu
erweitern und ihn ethisch zu einer höheren Stufe zu
führen, konnten die Künste nur selten gerecht
werden. Daß es sich trotzdem lohnt, dies zu versu-
chen, werden uns K.U.SCH. hoffentlich noch lange
unter Beweis stellen.
Wenn wir das vielschichtige Gesamt(-Kunst-)
werk von K.U.SCH. unter ein gemeinsames Motto
stellen wollen, so kann dieses vor allem in der Art
der ästhetischen Aneignung gefunden werden: die
Überwindung des Fremden, das Streben nach Selbst-
bestimmung und das Verständnis für die großen
Zusammen hänge sind am Ende diese Jahrtausends
wichtige, wenn auch nicht neue Themen der Kunst,
die es verdienen, in jener humanistischen Art
aufgegriffen zu werden, wie dies durch Renate
Krätschmer und Jörg Schwarzenberger geschieht

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1995