Lilienporzellan – Neue Impulse für die Tafelkultur in der Nachkriegszeit
Was heute als Wiener Küche weltweit bekannt ist, entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hand in Hand damit ging – selbst in bescheideneren bürgerlichen Haushalten – die Perfektionierung der Tischkultur. Trotz gravierender politischer und gesellschaftlicher Änderungen nach dem Ersten Weltkrieg blieben Tafelkultur und Kochkunst in Österreich auf hohem Niveau.
Erst der Zweite Weltkrieg hatte auch diesbezüglich verheerende Auswirkungen. Nach Kriegsende ging es für die Bevölkerung vor allem darum, sich endlich wieder satt zu essen. Quantität hatte Vorrang vor Qualität, ein schön gedeckter Tisch war eher nebensächlich. Daran änderte sich etliche Jahre nichts, denn Unsicherheit bezüglich der Zukunft und Rohstoffmangel dämpften die Investitionsfreudigkeit der Produzenten von Tafelgeräten. Erst der Abschluss des Staatsvertrags 1955 führte zu einer optimistischeren Beurteilung der wirtschaftlichen Zukunft Österreichs.
Kurt Lichtenstern, der in Wilhelmsburg ein Keramikwerk aufgebaut hatte und enteignet worden war, kam aus der Emigration als Prof. Dr. Conrad H. Lester aus den USA nach Österreich zurück, um seinen Betrieb wieder in Schwung zu bringen. 1957 wurde das Werk saniert und technisch auf den höchsten Stand gebracht. Man begann in dem traditionellen Steingutwerk auch mit der Erzeugung von Porzellan, das – aufgrund der Nähe zu Stift Lilienfeld und wegen der Lilie im Wappen der Stadt Wilhelmsburg – den Namen Lilienporzellan erhielt. Es ist in beinahe jedem Haushalt zu finden, und heute sind die einzelnen Stücke begehrte Objekte für Sammler.
In langjähriger Kleinarbeit gelang es René Edenhofer, die Geschichte des Lilienporzellans zu erforschen und festzuhalten. Sie reicht zwar nicht weit in die Vergangenheit zurück, war aber dennoch nur mit großer Mühe nachzuvollziehen. Damit ist es René Edenhofer zu danken, dass ein österreichischer Betrieb, der sich große Verdienste um gepflegte Tafelkultur erwarb, nicht in Vergessenheit gerät.