Ricarda Denzer

Medienkunst
Künstlerisches Video, Kunst im elektronischen Raum und die Grenzen von Fachdisziplinen überschreitende Kunst
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Mediale Poesie

Ricarda Denzer ist eine Künstlerin, welche die Fähigkeit hat, neue Zusammenhänge herzustellen. In ihren Arbeitsprozessen bewegt sie sich zunächst zwischen vorgegebener Situation, möglicher Situation und ihrer eigenen Situation, um dann aus diesem Schweben heraus einen qualitativen Sprung zu machen – einen Wechsel auf eine andere Ebene, wo aus der konkreten Geschichte, die vielleicht den Ausgangspunkt der Arbeit bildet, ein universeller Gedankengang entsteht, eine synästhetische Anregung in Form und Inhalt, welche die Betrachterinnen und Betrachter ihrer Kunstwerke zum Dialog zu weitaus größeren Fragestellungen einlädt. Zwei Arbeiten, die Ricarda Denzer in und für Niederösterreich realisierte und für die sie den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Medienkunst erhielt, veranschaulichen diesen Sprung auf wunderbare Weise. In der Medienarbeit «Eigen», 2001 realisiert für das Projekt «Gemischte Gefühle» im öffentlichen Raum Reinsberg, wurde eine von den Dorfbewohnern erzählte Geschichte über eine Außenseiterin in eine zeitunabhängige Parabel über verbale Gewalt verwandelt. Ricarda Denzer kombinierte die persönlichen Erzählungen mit einer fiktionalen Computeranimation und stellte damit präzise den Schrecken einer «möglichen» Gewalt gegen Andersartiges, Fremdes dar. Gewalt, die schon dadurch, dass man «an sie denkt», Vertreibung und Leid begründet. Die Arbeit «Täuschungsmanöver», 2005 realisiert als Kunst im öffentlichen Raum in Allentsteig, thematisiert die dortige Zwangsaussiedlung der Bevölkerung zwischen 1938 und 1941 in Form einer medientheoretischen Paraphrase auf den totalitären militärischen Blick. Ein 18 Meter hohes Videoperiskop bietet vom Ortszentrum aus einen Überblick über das Umland Allentsteigs. Ein um die Kamera montiertes Textband macht das Panoramabild der idyllischen Landschaft wieder zur filmischen Fiktion, in der durch die von Ricarda Denzer formulierten «Untertitel» die ihr zugehörigen Geschichten assoziiert werden können. Eine Arbeit, die nicht nur durch ihre formale Eleganz besticht, sondern auch durch ihre mediale Poesie.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2009