Sabine Luger

Sonderpreis
Künstlerische und kulturelle Auseinandersetzung mit der Menschenwürde
Image

Landschaft: Erinnerung

In ihrer Auseinandersetzung mit schmerzhaften Geschehnissen der Familien- und Ortsgeschichte geht die Landschaftsarchitektin und Künstlerin Sabine Luger mutige und ungewöhnliche Wege. Tiefschürfende historische Recherchen münden in berührenden, eindrucksvollen Interventionen in der Landschaft: rote Beeren, die wie gestocktes Blut die Baumgruppe auf der „Hofwiese“ in Schwarzau im Gebirge umgeben, wo noch in den letzten Kriegstagen vom 14. bis 23. April 1945 die Hinrichtung von sieben „Verräterinnen und Verrätern“ vollzogen wurde – eines der zahlreichen sogenannten Endphase-Verbrechen, mit denen Anhängerinnen und Anhänger des NS-Regimes die Schmach ihrer Niederlage rächten.

Mit ihrem Projekt „Red Island“ hat Sabine Luger der Spielwiese ihrer Kindheit die vordergründige Unschuld genommen und deren Funktion als Zeugin und Erinnerungsspeicher bewusst gemacht – und damit den traumatisierten, schweigenden Erwachsenen das Sprechen erlaubt. Durch die natürliche Veränderung der roten, sich schwarz färbenden Beeren konnten neue Wahrnehmungen und Bedeutungsgebungen entstehen.

Bereits 2019 verband Sabine Luger ihre Familiengeschichte mit Oral History und einer künstlerischen Manifestation in der Landschaft. Das Land-Art-Projekt „Schmerz, Liebe, offene Weite“ markierte einerseits den ungeklärten Tod des Großonkels, Soldat der deutschen Wehrmacht, im Ladoga-See in der Provinz Leningrad, dessen Leichnam bis heute nicht geborgen wurde. Andererseits thematisierte das Projekt das von der Wehrmacht verursachte Leid der russischen Zivilbevölkerung. Wie in „Red Island“ berührt auch hier die Sprache ihrer Landschaftskunst durch Poesie, Verletzlichkeit und Schönheit in einer „kontaminierten Landschaft“, wie Martin Pollack die Orte von vertuschten Gewaltverbrechen bezeichnete.

Die Sichtbarmachung von Ungleichheit und Ungerechtigkeit, von Verletzung und Gewalt durchzieht Lugers Arbeiten. Ihre Kunstwerke, eingefügt in Landschaften und öffentliche Räume, geben den damals und heute Betroffenen Wahrnehmung, Erinnerung und Würde.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2021