Mit weniger Licht mehr sehen
Die Angemessenheit von Neugebautem ist in sensiblen Landschaften und denkmalgeschützten Ensembles – zu Recht – rasch Gegenstand von Diskussionen. Viel weniger Beachtung findet zumeist das, was dazwischenliegt, wie Verkehrsinfrastruktur, Leitsysteme und auch die Beleuchtung einzelner Gebäude und ganzer Straßenzüge. Die Künstlerin Siegrun Appelt befasst sich in ihrer Arbeit seit vielen Jahren mit Licht und Energie. Ihr bislang größtes Projekt realisiert sie seit 2010 in der Wachau, wo sie die im Zuge ihres künstlerischen Forschungsprojekts «Langsames Licht/Slow Light» gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf den reflektierten und ökologisch nachhaltigen Einsatz neuer Lichttechnologien an ausgewählten Orten und entlang von Wegen umsetzt. Siegrun Appelt geht es dabei nicht um die Inszenierung der Beleuchtung im Sinne einer (dekorativen) Lichtkunst. Ihre künstlerische Herangehensweise, die in enger Zusammenarbeit mit der Wissenschaft stattfindet, legt den Fokus auf das Bewusstmachen der Auswirkung von Licht sowohl in umfassender ökologischer als auch räumlich-ästhetischer Hinsicht. In einer touristisch geprägten Region wie der Wachau besteht der Bedarf, die Schönheit von Landschaft, Orten und einzelnen Sehenswürdigkeiten entsprechend hervorzuheben. Siegrun Appelt bewältigte dies beim «Lichtprojekt Wachau» auf eine sehr dezente und überlegte Weise, die sowohl geeignet ist, Wahrnehmung und Verständnis für die Kulturdenkmäler zu stimulieren, als auch das Bewusstsein für die mannigfaltige Wirkung von Licht und Schatten zu schärfen. Neben dem positiven Effekt auf das nächtliche Orts- und Landschaftsbildwurde an allen Standorten durch das Zurücknehmen der Beleuchtungsintensität und das Vermeiden von Streulicht der Energieverbrauch drastisch, um bis über neunzig Prozent, reduziert. Damit ist Siegrun Appelts Arbeit auch ein Plädoyer dafür, Bau- und Infrastrukturmaßnahmen nicht nur einseitig im Hinblick auf ihre energie- und kostensenkenden Konsequenzen zu sehen, sondern auch ihre ästhetischen, emotionalen und physischen Auswirkungen mit gleicher Sorgfalt zu betrachten.