Susanne Fischer

Literatur

Die stille Dichterin

„Ich bin / an der Reihe /jetzt, zur / Sprechstunde bei/mir. /Ihr müsst ein/wenig warten. I Es wird I nicht lange / dauern“, schreibt Susanne Fischer in einem ihrer Gedichte, und ich denke ja, es stimmt, jetzt ist sie an der Reihe, nach langer, langer Zeit, sie, die aus der Stadt aufs Land flüchtete, die sich vor allen Menschen verstecken wollte.
Das Schicksal hat sie nicht verwöhnt- eine zweimal abgebrochene Ausbildung, Probleme im Elternhaus, ein Kind, das sie zunächst allein erziehen musste, sind kein besonderes Kapital für eine junge Mutter, die in die Welt hinauswill. Irgendwie schafft sie es, bringt sich selbst und ihre Tochter mit Gelegenheitsarbeiten und einer kleinen Tierpension durch. Die Tiere, die ausgesetzten Geschöpfe, sind es, um die sie sich gern kümmert, denen sie eine Heimat gibt. Heimat, in der sie auch ihre eigenen Wurzeln schlagen, wo sie sich wohl fühlen kann.
Am Anfang waren es Briefe an den damaligen Partner, mit dem sie sich nicht aussprechen konnte. In dem Bewusstsein, dass sie mit diesem Problem nicht allein ist und aus einem Bedürfnis heraus sich mitzuteilen und vielleicht sogar damit anderen zu helfen, begann sie intensiv zu schreiben. Lyrik nahm sie nach und nach ein, sie ist zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden.
Durchs Schreiben hat sie ihre Mitte gefunden. In einem verträumten Dorf im Waldviertel. Hier lebt sie mit Tieren und Menschen, die ihr nahestehen. Die Tochter mit ihrer Familie kommt oft vorbei und auch der neue Partner ist da. Und sie schreibt wieder. Nach einer vom Leben erzwungenen Pause fand sie wieder Kraft für ihre stillen Gedichte. Sie braucht nicht zu schreien, nicht den Zeigefinger heben, trotzdem ist die Stimme ihres Schweigens in ihren Texten deutlich hörbar. „Wenn schwarze, klebrige Kinderhände / Dir eine Blume etwa / bringen / siehst Du einzig und allein / den Schmutz an den Händen / und Dir ekelt. / Ich sehe die Blume / und freue mich.“
Sie ist weder grün“, noch „alternativ“, nicht einmal ,,emanzipiert“ mag sie sich nennen. Sie ist ganz einfach nur eine Frau, die ewig auf der Suche, vor allem nach der persönlichen Freiheit abseits der Hektik ist. Nichts meidet sie so sehr, wie die erzwungene Enge, die, wie sie selbst sagt, „die Menschen eher auseinanderbringt als zusammenführt.“
Petunien wachsen in ihrem Hof, Hortensien und Pelargonien. Katzen und Hunde aalen sich auf den erwärmten Steinplatten, die Zeit scheint hier zu stehen. In dieser scheinbaren Bewegungslosigkeit achtet sie auf jede Veränderung rund um sie, sie hört, was die anderen nicht hören. „habt ihr das Weinen /gehört, / in dem einen / Nachbarhaus? /Ach -Ihr habt/geschlafen. //Habt Ihr das Lachen/gehört, /in dem anderen Nachbarhaus? /Ach – es hat Euch / geweckt.“
Vor Jahren wurde sie von Hans Weigel entdeckt, der zu ihrem Förderer geworden ist. Er organisierte Lesungen für sie und fand einen Verlag, der ihre Gedichte druckte. Für das Buch „Zeichen von Leben“, das als Lyrikband sensationeller Weise eine zweite Auflage erreichte, erhielt Susanne Fischer1985 den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur. Es folgten Hörspiele (,,Die Wasserkinder“, „Mütter“ und einige mehr) und Lyriktexte für den ORF und den Süddeutschen Rundfunk, sowie Prosa für das Wiener Journal.
Als ich sie bat, mir mehr Informationen über sich selbst zu geben, schrieb sie mir: „Ich kann nicht über mich schreiben, obwohl meine Lyrik (und auch Prosa) natürlich mein Ich beinhaltet wie alles, was Schreibende von sich geben.“ So blieb ich mit ihren Texten allein, mit den Bildern ihrer Wahlheimat, mit den Eindrücken, die Hoffnungen weckten.
Zum Abschluss zitiere ich noch eine Passage vom Vorwort Hans Weigels aus dem Band „Zeichen von Leben“: „Jetzt müsste die Susanne Strauss (Anm. jetzt Fischer) nur noch die große Prosaarbeit, zu der ich sie gezwungen habe, die viel verspricht, und auf die ich mich sehr freue, relativ bald beenden. Und vielleicht helfen ihr ihre gedruckten Verse und ihr – toi-toi-toi- Widerhall dazu, sich als Schriftstellerin zu fühlen. Oft ist man eine und weiß es nicht recht. Der Susanne Strauss (Anm. jetzt Fischer) kann ich als sachverständiger Zeuge bekunden, dass sei eine ist.“

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1998