Weltbürger fand nach Niederösterreich
Der diesjährige Würdigungspreisträger erblickte das Licht der Welt am 22. 12. 1925 in Wels, Oberösterreich. Bereits in seiner frühen Kindheit erhielt er von einem der wohl berufensten hiefür, seinem Vater Johann Nepomuk David, Unterricht im Klavierspiel und Tonsatz. Wie David in einer Selbstdarstellung schreibt, habe er ,,spielend und nachahmend alle Facetten des musikalischen Handwerks und die dazugehörige Weltanschauung“ gelernt. Besonders dankbar erwähnt der Komponist Thomas Christian David, daß sein Vater, obwohl er selbst mit Haut und Haar der Musik verschrieben war, größten Wert darauf gelegt habe, in dem heranwachsenden musikalischen Talent die Erkenntnis zu verwurzeln, daß die Musik, wenn auch der Edelste, nur ein Teil unseres Lebens ist, daß aber das ganze Leben bewältigt sein muß und damit ein umfassender Bildungsanspruch an einen ernstzunehmenden Künstler gestellt werden muß. Besonders entscheidend für die Entwicklung des Knaben wurden die Jahre 19341944. Durch die Berufung des Vaters an das Konservatorium in Leipzig und die damit verbundene Übersiedlung der ganzen Familie ergab sich für Thomas Christian die Möglichkeit, als Sängerknabe in den berühmten Thomanerchor eintreten zu können. Nicht nur diese Tätigkeit und die intensive Beschäftigung mit dem Werk Johann Sebastian Bachs, sondern auch die Ausbildung zum Flötisten und damit verbunden die Möglichkeit, Flötenkammermusik zu erarbeiten sowie im Gewandhausorchester als Substitut zu wirken, prägten die Reifungsjahre des jungen Mannes. Bis er im Jahre 1944 mit einem weniger musischen Aspekt des menschlichen Lebens, dem 2. Weltkrieg. konfrontiert wurde. Auch bittere Zeiten der Kriegsgefangenschaft mußte der junge Mann erleben und fand nach seiner Heimkehr aus derselben einen Posten als Lehrer für FIöte im Salzburger Mozarteum. In dieser Zeit konnte Thomas Christian David seine eigenen Studien in den Fächern Klavier, Orgel, Cembalo, Komposition und Dirigieren absolvieren und folgte 1948 dem Vater nach Stuttgart. Nach Studien an der Universität Tübingen und zahlreichen Konzertreisen als Flötist übernahm er aus den Händen des Vaters die Leitung des Leipziger Brucknerchores und brachten diesen, nunmehr ,,Süddeutscher Madrigalchor“ genannt, zu international anerkannten Spitzenleistungen. Auch seine Tätigkeit als Korrepetitor an der Stuttgarter Oper dokumentiert die enge Bindung zum Vokalen. Der inzwischen bereits als Komponist anerkannte Meister, die Stadt Stuttgart verlieh ihm bereits 1956 ihren Kompositionspreis, wurde 1958 an die damalige Musikakademie nach Wien für Partiturspiel und Generalbaß berufen, im Jahre 1963 erhielt er die Professur für Komposition. In diese Zeit fallen erste internationale Anerkennungspreise, wie der Kompositionspreis des Bundesministeriums für Unterricht oder jener von Radio Paris 1963. Als aus Teheran angefragt wurde, welcher Fachmann wohl geeignet wäre, die wienerische Musiktradition nach Persien zu verpflanzen, entschied man sich sehr schnell für den sprachengewandten und umfassend gebildeten Allround-Musiker Thomas Christian David. In den Jahren 1967-1973 unterrichtete David an der Universität Teheran, baute eine Music School auf, war Chefdirigent des Teheraner Rundfunkorchesters und konnte seine persische Tätigkeit dadurch bekrönen, daß er den ehrenvollen Auftrag erhielt, für die Krönungsfeierlichkeiten des Schah im Jahr 1969 eine Festoper zu komponieren. 1973 kehrte David nach Wien zurück und knüpfte, als wäre sie nie unterbrochen worden, an seine frühere Tätigkeit an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst an. Er wurde ordentlicher Professor für Komposition und Leiter der Abteilung für Komposition, Theorie und Dirigieren. Von Jahr zu Jahr steigende Aufführungszahlen brachten auch eine immer weitergehende Anerkennung seines kompositorischen Schaffens, die sich in der Verleihung der Kompositionspreise der Stadt Wien 1973 und 1979 sowie des Kulturpreises des Landes Oberösterreich 1979 dokumentierte. Wenngleich Thomas Christian Davids Wirken an der Wiener Musikhochschule eine enge Bindung an diese Stadt mit sich brachte, suchte er dennoch sehr bald ein Refugium, wo er abseits vom Großstadttrubel in idyllischer Ruhe und frischer Luft seinem kompositorischen Schaffen nachgehen konnte und wählte das nördliehe Niederösterreich zu seiner Wahlheimat. Hier entstand in den letzten Jahren der größte Teil seiner zahlreichen Kompositionen, die ziemlich alle Formen vom subtilen Lied über ungezählte Kammermusikwerke bis zum großen Konzert und zur Oper reichen. War zu Beginn der kompositorischen Tätigkeit Thomas Christian Davids das konzertante Element im Vordergrund gestanden, so wurde in zunehmendem Maß die enge Bindung zum Wort und damit die Vorliebe für das Vokale bestimmend. Zwei Quellen für die Texte zu seinen Kompositionen stehen hier eindeutig im Vordergrund: Einerseits griff David immer wieder zu Bibeltexten, die er auch selbst, etwa für das abendfüllende Oratorium ,,Das Lied des Menschen“, zusammenstellte. Andererseits sind die Gedichte Johann Wolfgang von Goethes von besonderer Bedeutung. In seiner Kirchenoper ,,Der Weg nach Emmaus“ nach einem Text von Herbert Vogg erwies sich David als Dramatiker, der der Textausdeutung neue Dimensionen aufzeigte. Sowohl im Parlando wie im großen melodischen Bogen der Solisten als auch in eindrucksvollen Ensembleszenen und großen Chorsätzen zeigte der Meister seine souveräne Beherrschung der musikalischen Möglichkeiten und konnte kritische Stimmen, die ihm immer wieder nur technische Perfektion zugestanden hatten, beschämen. Das Land Niederösterreich würdigt das Schaffen dieses wahrhaft großen Meisters, der nach wechselvollen Zigeunerjahren in aller Welt hier seine Wahlheimat gefunden hat, durch die Verleihung des Würdigungspreises für Musik 1986 in der Hoffnung, daß Thomas Christian David noch viele Jahre ungetrübter Schaffensfreude in seinem Weinviertier Refugium gegönnt sein mögen.