Von Farbe und Leben der Worte …
Es ist jetzt fast sieben Jahre her, daß mir Hans Weigel Dr. Uta Szyszkowitz als Übersetzerin nannte. Wer wußte damals schon von Leuten, die Literatur übersetzen? Kaum jene, die es ebenfalls taten. Ein paar Autoren kannte man; eben Hans Weigel als Moliere-Übersetzer und Hilde Spiel, die u.a. Theaterstücke von Jams Saunders und Harold Pinter übersetzt hat. Vielleicht noch den Ulysses-Übersetzer Hans Wollschläger. Wirklich bekannt sind literarisch übersetzende noch immer nicht. Damals, vor siebzehn Jahren, trafen sich ein paar Übersetzerinnen und überlegten, wie dieser Misere abzuhelfen sein könnte. Vier waren wir, Uta Szyszkowitz, Hilde Linnert, Andree Pazmandy und ich. Inzwischen hat sich die Situation doch einigermaßen zu unseren Gunsten verändert. Zumindest wissen wenigstens wir Insider voneinander; und durch ausdauerndes sich, auch öffentlich, Zuwortmelden und die zunehmenden internationalen Kontakte, vor allem auch unserer Organisationen, werden wir und unsere Arbeit allmählich mehr zur Kenntnis genommen. Die Verleihung von Auszeichnungen an verdiente Übersetzerinnen und Übersetzer, um die sich unsere Interessensgemeinschaft seit ihrem Bestehen bemüht, tragen gewiß nicht unwesentlich dazu bei. Daß Uta Szyszkowitz erst jetzt für ihre übersetzerischen Leistungen ein Preis verliehen wird, ist u.a. ihrer Bescheidenheit zuzuschreiben. Und ihrer Lebenssituation, jener von Frauen unserer Altersgruppe, für die das Ubersetzen zwar kein Hobby, sondern durchaus eine Profession ist, für die aber, soweit sie nicht zu anderweitiger Erwerbstätigkeit gezwungen waren, ihre Familie während der jungen Jahre ihrer Kinder zunächst einmal Vorrang hatte. Sie waren deshalb auch weitgehend an ihren Wohnort gebunden und wenig beweglich. Da es bis vor wenigen Jahren hierzulande nicht viele Verleger als potentielle Auftraggeber für unsereins gab, und die sogenannten großen fremdsprachigen Autoren hauptsächlich in Deutschland verlegt wurden und noch immer werden, muß das jedenfalls als Handicap für literarische Übersetzerinnen gesehen werden . Auch im Hinblick auf die häufig zu hörende Meinung, damit eine Übersetzung als ein Werk von Rang und Qualität gelten könne, müsse das fremdsprachige Original zur sogenannten Weltliteratur gehören. Obwohl sich, meiner Ansicht nach, im allgemeinen Literatur frühestens eine Generation nach dem Wirken der Autoren als Weltliteratur einstufen läßt. Bei aufmerksamer Betrachtung der Werkliste von Uta Szyszkowitz finden sich darin etliche Übersetzungen von Werken namhafter Autoren, deren literarischer Rang unbestritten ist: Texte von Victor Hugo, James Saunders, Jean Genet etc, Ihren Einstieg ins Übersetzen hat Uta Szyszkowitz durch ihr Studium der Theaterwissenschaft gefunden, mit der Arbeit an ihrer Dissertation über ,,Die Grenzsituation im Drama von Maurice Mäterlinck und Michel de Ghelderode“. Damals fing sie an, Dramen des Belgiers Ghelderode aus dem Französischen zu übersetzen, teilweise gemeinsam mit ihrem, beruflich gleichfalls dem Theaterverbundenen, Mann. Bis irgendwann der Moment kam, an dem ihre Auffassung vom Übersetzen zu sehr von jener des reinen Theatermannes abwich und sie ohne ihn übersetzte. Nach wie vor werden für das Theater Ü hersetzende a ls Verfasser der deutschsprachigen Form auf die Bühne kommender Stücke in den Medien kaum je auch nur genannt: Einer der Gründe ihrer Unsichtbarkeit für die Öffentlichkeit. Eng verknüpft mit den Übersetzungen für das Theater ist jene der Briefe von Jean Genet über seine Vorstellung von der Aufführungspraxis seiner Stücke an den Regisseur Roger Blin. Wie Uta Szyszkowitz mir erzählt hat, datiert aber ihre Freude am Übersetzen um einiges weiter zurück, bis in die Schulzeit, den aus diesem Grund von ihr – man höre und staune – geliebten Lateinunterricht. Uta Szyszkowitz, die der Kriegsereignisse wegen ihre Heimatstadt Danzig noch als Kind verlassen mußte, verbrachte ihre weitere Schulzeit in den Nachkriegsjahren im Rheinland. Das Spektrum der Übersetzungsarbeiten von Uta Szyszkowitz ist mit den Jahren ein beachtliches geworden. Noch immer und immer wieder gehören Bühnenwerke und Hörspiele ganz wesentlich dazu. Und schon dieses Genre ist weit gefächert. Das historische Kolorit eines Stückes von Victor Hugo etwa (,,Tausend Francs Belohnung“) ist farbig und lebendig, in ihrer Übersetzung liest es sich interessant und ganz selbstverständlich wie ein deutsch-sprachiges Stück. Ebenso der symbolistische „Colombe“ von Ghelderode mit seinen oft märchenhaften, überraschenden Wendungen. Zwei sehr unterschiedliche Stücke, deren Zentralfigur jeweils eine alte Frau ist, sind zum einen die aus dem Französischen des Gilbert Leautier übersetzte bitterböse, geradezu beklemmende Satire „La Matriarche“ um eine Greisin, die von ihren Mitmenschen nicht mehr für voll genommen wird. Zum anderen die hinreißend witzige Komödie ,,Goldener Herbst“ von Jimmy Chin aus dem Englischen, rund um die in ein Heim für alte Künstler abgeschobene Maisie May, die sich ihre unbändig, ungezügelte Lebenslust von einer in überkommenen gesellschaftliche Vorstellungen befangenen Umgebung nicht nehmen läßt. Eines phantasievollen, mehr als handwerklichen Umgangs mit der eigenen Sprache bedarf es, um eine derart mit metaphernreichen Wortspielereien gespickte Komödie wie ,,Headlong Hall“ von James Saunders durch eine Fülle raffinierter sprachlicher Einfälle auch im Deutschen wie ein Feuerwerk sprühen zu lassen. Ebenso gekonnt bringt Uta Szyszkowitz das spielerisch leichte, jedoch keineswegs Seichte einer sehr französischen Komödie wie Remo Forlanis „Grand-Pere“ ans deutsche Sprachufer. Außer den etwa zwanzig Bühnenstücken und Hörspielen (neben den schon genannten) u.a. von Jean Cau, Fernand Crommelynck, Marc Camolleti, hat Uta Szyszkowitz eine Reihe von Sachbüchern, u.a. viele historische Biographien, übersetzt, in späteren Jahren oft gemeinsam mit anderen Übersetzerinnen. Zu einer solchen kollegialen Zusammenarbeit ist sicherlich nicht jede Übersetzerin, jeder Übersetzer fähig: also sich die Texte zunächst zu teilen und dann miteinander und aufeinander abzustimmen. Allerdings wird wegen der heutigen Publikationsgepflogenheiten diese Arbeitsweise zunehmend angewandt. In Zusammenarbeit mit jüngeren und älteren Kolleginnen entstanden Übersetzungen von Romanen und Sachbüchern. Gemeinsam mit Hilde Linnert etwa der autobiographische Roman des heute in England lebenden Ungarn Janos Nyiri „Die Judenschule“, geschrieben aus der Sicht und in der Sprache eines äußerst kritisch und scharf beobachtenden, sich gegen alle feindseligen Widerwärtigkeiten behauptenden und geradezu beängstigend frechen jüdischen Buben. Trotz der bedrohlichen Atmosphäre jener Jahre zu Beginn des Hitlerkrieges klingt-jedenfalls im ersten, von Uta Szyszkowitz übersetzten Teil, den ich gelesen habe – die Sprache dieses respektlosen Rotzbuben absolut überzeugend und großteils umwerfend komisch. Das 1994 erschienene Buch von Appigna nesi und John Forrester über ,,Die Frauen Sigmund Freuds“, mit Brigitte Rapp als Co-Übersetzerin, erwies sich erfreulicherweise als sehr erfolgreich. Immer wieder und in den letzten Jahren vermehrt übersetzte Uta Szyszkowitz Bücher für Kinder und Jugendliche. Was neunmalkluge Qualitätsrichter über unsere Arbeit wahrscheinlich gar nicht wissen: Nur sehr begrenzt liegt die Auswahl der von uns übersetzten Werke in unserer Macht. Ins Blaue hinein, also ohne Auftrag zu übersetzen, ist ein Wagnis, das nur ganz selten von Erfolg, d.h. durch Publikation gekrönt wird. Auch werden von Übersetzenden vorgeschlagene Bücher von Verlagen in vielen Fällen mit, vom literarischen Standpunkt wenig überzeugenden, meist kommerziell begründeten Argumenten abgelehnt. Wenn wir, erfreulicherweise, einen Text von wirklichem Rang zu übersetzen beauftragt werden, geschieht es immer wieder einmal, daß der Verlag letztlich von einer Veröffentlichung absieht, weil er fürchtet, ein anspruchvolles Buch nicht mit Gewinn vermarkten zu können. Auch Uta Szyszkowitz mußte diese höchst frustrierende Erfahrung machen mit einem literarisch spröden, im politischen Gegenwartsmilieu angesiedelten Roman von Jean Phillippe Domecq „Antichambre“, nach monatelanger Beschäftigung mit dem Text, seinem Originalautor und zusätzlicher Hintergrundarbeit, in ihrem Fall sogar im Ausland. Auch wenn das Honorar ordnungsgemäß bezahlt wird, erleben wir das als böse Enttäuschung, denn wir können ja nur durch Veröffentlichung unser Können und unsere Qualifikation nachweisen. Wie schön, liebe Namensschwester, daß die Jury dein Können, deine literarische Übersetzungsleistung erkannt hat und dich für diesen Würdigungspreis gekürt hat: eine gewissenhafte, in vielen Sparten der Literatur versierte, sprach lieh so feinfühlige und kreative Übersetzerin. Uta Szyszkowitz‘ Übersetzungen vermitteln der deutschsprachigen Leserschaft oder jenen, die sie hören oder im Theater erleben, das jeweilige Original gekonnt und auf höchst einfühlsame Weise. Uta Szyszkowitz ist dieses Preises wahrhaft würdig und gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen gratuliere ich ihr von ganzem Herzen.